Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Verlauf der reproducirten Vorstellungen. 
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immerfort an sie denken, in der Langeweile. In diesen Fällen handelt 
es sich aber nicht um eine Schätzung verflossener sondern um eine solche 
bevorstehender Zeiträume. Eine in Langeweile verbrachte Zeit kann in 
der Erinnerung kurz erscheinen. Das Gefühl des langsamen Abflusses 
der Zeit entspringt hier nur aus der Spannung der Aufmerksamkeit auf 
zukünftige Eindrücke. Darum wird uns z. B. die Zeit ausnehmend lang, 
wenn wir Jemanden erwarten. Trifft der Ersehnte wirklich ein, so ist 
jene Spannung plötzlich vergessen, und die Zeit der Erwartung kann nun 
in der Erinnerung kurz erscheinen. Dem mit Arbeit Beschäftigten ver¬ 
fließt nur darum die Zeit schnell, weil seine Aufmerksamkeit in jedem 
Moment durch die gegenwärtigen Eindrücke gefesselt wird. Verschieden 
davon ist das Gefühl für die vergangene Zeit. Eine in aufmerksamer 
Arbeit verbrachte Zeit kommt uns zwar in der Regel auch in der Er¬ 
innerung kurz vor, aber nur deshalb, weil die Vorstellungen, die bei 
derselben wirksam gewesen sind, in einem durchgängigen Zusammen¬ 
hänge stehen, so dass sie einander leicht durch Reproduction wachrufen. 
Auf diese Weise ist uns dann die ganze Zeitstrecke nach ihrem Abfluss 
ohne Schwierigkeit in einem Gesammtbilde gegenwärtig. Die Regel der 
rückwärtsgehenden Zeitverkürzung ist deshalb hier nicht ohne Ausnahmen. 
Wer mit tausenderlei kleinen, nicht zusammenhängenden Arbeiten eine 
gewisse Zeit hinbrachte, die ihm während des Ablaufs schnell verfloss, 
hat doch am Ende derselben das Gefühl einer langen Zeit. Ebenso em¬ 
pfinden wir mitten in einem lebhaften Traume keine Langeweile; den¬ 
noch glauben wir beim Erwachen unendlich lange geträumt zu haben, 
und das um so mehr, je mannigfaltiger und unzusammenhängender die 
einzelnen Traumbilder gewesen sind. Wir müssen also das prospective 
und retrospective Zeitgefühl unterscheiden. Das erstere besteht einfach 
in der Spannung der Aufmerksamkeit auf erwartete Eindrücke; das letztere 
beruht auf der Reproduction der in einer gewissen Zeitstrecke vorhanden 
gewesenen Vorstellungen. 
Versuche über die Genauigkeit der Zeitschätzung mittelst der Reproduction 
wurden zuerst nach verschiedenen Methoden von Vierordt und Mach ausgeführt. 
Vierordt wandte zur Hervorbringung der ursprünglichen Zeitvorstellung die 
Pendelschläge eines Metronoms an. Die geschätzte Zeit wurde in einer Reihe 
von Versuchen so gemessen, dass der Beobachter durch Fingerbewegungen, 
welche auf einem röhrenden Cylinder aufgezeichnet wurden, den nämlichen 
Takt nachzuahmen suchte. Es wurde dann die Größe des hierbei begangenen 
mittleren Fehlers bestimmt. In einer andern Versuchsreihe wurden zwei suc¬ 
cessive Schlagfolgen eines Metronoms mit einander verglichen und dabei nach 
einem der Methode der richtigen und falschen Fälle ähnlichen Verfahren die 
Unterschiedsempfindlichkeit für verschiedene Zeitgrößen ermittelt. Mach legte 
dagegen seinen Versuchen die Methode der Minimaländerungen zu Grunde. Für 
größere Zeiträume wurde nach jedem 10., 11., \%. . . . Schlag einer Taschen- 
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