Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

330 
Apperception und Verlauf der Vorstellungen. 
die wirkliche Apperceptionszeit, sondern sie werden nothwendig kleiner als die 
letztere ausfallen. In der That sind die von Baxt beobachteten Zeiträume be¬ 
trächtlich kleiner als die oben gefundenen Erkennungszeiten. Doch nehmen 
auch hier die Zeiten, die ein Eindruck einwirken muss, um nachträglich erkannt 
zu werden, selbstverständlich mit der Zusammensetzung desselben zu, und in¬ 
sofern entsprechen dieselben wohl einigermaßen der relativen Erkennungs¬ 
zeit. So fand Baxt die Auslöschungszeit für einen Buchstaben zu 30, für 
zwei zu 44a. Als einfachere und complicirtere Curven als Objecte benutzt 
wurden, verhielten sich die gebrauchten Zeiten wie \ : 5. Ebenso war die 
Ausdehnung des Eindrucks von Einfluss: große Buchstaben konnten z. B. schon 
bei einer Zeitdauer gelesen werden, bei der kleine nicht einmal als Buchstaben 
erkannt wurden; es ist aber wahrscheinlich, dass dies von der Accommodation 
des Auges herrührt, weil kleinere Objecte zu ihrer Erkennung eine schärfere 
Accommodation nothig machen als große. Endlich übt der Contrast mit den 
übrigen im Blickfeld gelegenen Eindrücken eine gewisse Wirkung aus, indem 
die Zeit um so kürzer wird, je größer der Beleuchtungsunterschied des wahr¬ 
zunehmenden Objectes von seiner Umgebung ist. 
Aehnliche Versuche hat Cattell ausgeführt, wobei er jedoch den Eindruck 
nicht durch weißes Licht auslöschte, sondern durch einen schwarzen Schirm 
nach sehr kurzer, aber willkürlich zu variirender Zeit unterbrach1). Dabei sind 
natürlich die zur Erkennung erforderlichen Einwirkungszeiten noch viel kürzer 
als nach dem Auslöschungsverfahren, weil die Entwicklung des Nachbildes weit 
vollkommener von statten geht. Gleichwohl zeigte es sich auch hier, dass die 
zur Erkennung eines Objectes erforderliche Einw irkungszeit mit der zusammenge¬ 
setzten Beschaffenheit desselben zunimmt, und Cattell benützte daher dieses 
Verfahren zu der Beantwortung der praktisch interessanten Frage über die 
relative Lesbarkeit der Buchstaben. Die Versuche bestätigten die wTeit größere 
Deutlichkeit des lateinischen (Antiqua-) gegenüber dem deutschen (Fraktur-) 
Druck, während zugleich in beiden Schriftarten die einzelnen Buchstaben be¬ 
deutende Unterschiede zeigten2). 
4. Apperception gleichzeitiger und rasch sich 
folgender Eindrücke. 
In einer neuen Form werden die Bedingungen der Apperception com- 
plicirt, wenn eine Mehrheit gleichzeitiger oder sehr rasch auf einander 
folgender Eindrücke gegeben ist, welche entweder gleichzeitig oder suc- 
•cessiv appercipirt werden können. Zunächst müssen hierbei, wenn eine 
zeitlich gesonderte Auffassung der einzelnen Eindrücke möglich sein 
soll, bestimmte, großenteils von den Sinnesorganen abhängige Bedingungen 
der Dauer und des Verlaufs der Sinnesreizung erfüllt sein. Diese Bedin¬ 
gungen bestehen darin, dass 1) jedem Eindruck eine gewisse Zeit gegeben 
1) Philos. Stud., Ill, S. 94 ff. 
2) Ebend. S. 4 19.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.