Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Zusammengesetzte Reactionsvorgänge. 
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Coordinationen, bei denen jene psychischen Zwischenglieder vollständig zum 
Verschwinden kommen, an sich ein Vorgang von hohem psychologischem 
Interesse. Spielt doch dieser Vorgang in der wirklichen Ausbildung un¬ 
serer Bewegungen eine sehr wichtige Rolle. Bei jeder Einübung von Be¬ 
wegungen findet in gewissem Grade ein solcher Uebergang statt. Wo die 
Bewegungen von zusammengesetzter Beschaffenheit sind, da ist meist zur 
ersten Einleitung derselben ein Erkennungs- und Willensact erforderlich, 
der weitere Vollzug geschieht dann aber vorwiegend automatisch. So be¬ 
darf der geübte Clavierspieler zur Umsetzung jedes einzelnen Notenbildes 
in eine Tastbewegung, der Handwerker zur Ausführung jeder einzelnen 
seiner Manipulationen keines besonderen Erkennungs- und Willensactes 
mehr, sondern die physiologischen Uebungsgesetze der nervösen Leitungs¬ 
bahnen vj ermöglichen hier überall, nachdem eine Bewegungsreihe in Gang 
gekommen ist, die angemessene automatische Coordination der einzelnen 
Bewegungen an die einzelnen Eindrücke. Indem die verkürzte Reaction 
in ihrer einfachen und zusammengesetzten Form das Studium der ele¬ 
mentaren Erscheinungen solcher automatischen Coordination ermöglicht, 
bietet daher dieses Studium zugleich eine wichtige Aufgabe, bei deren 
planmäßiger Behandlung aber die psychisch vermittelten Reactionen eben¬ 
so auszuschließen sein werden, wie umgekehrt bei den letzteren der Ein¬ 
tritt automatischer Coordinationen nothwendig zu vermeiden ist, 
Donders gebührt das Verdienst, den ersten Versuch zur Ermittelung der 
Unterscheidungs- und Wahlacte mittelst der Reactionsmethode gemacht zu 
haben1 2). Neben der gewöhnlichen Bestimmungsweise der Reactionszeit (gege¬ 
bene Bewegung auf bekannten Eindruck), die er als a-Methode bezeichnet, 
bediente er sich hauptsächlich noch zweier Verfahrungsweisen, von denen die 
eine im wesentlichen unseren Wahlversuchen zwischen zwei Bewegungen (fr-Me¬ 
thode), die andere unseren Wahlversuchen zwischen Ruhe und Bewegung ent¬ 
sprach (c-Methode nach Donders) ; in der Regel wurden nicht dauernde, son¬ 
dern momentane Eindrücke angewandt. Donders hat jedoch diesen Versuchen 
eine andere psychologische Deutung gegeben: er meinte, nur bei den fr-Ver¬ 
suchen komme eine Unterscheidungs- und Willenszeit, bei den c-Versuchen 
aber nur die erstere in Betracht. Er glaubt daher die Differenzen c ci als 
die eigentlichen Unterscheidungszeiten, die Differenzen fr—c aber als die Willens¬ 
zeiten betrachten zu dürfen, eine Ansicht, welcher sich auch v. Kries und 
Auerbach angeschlossen haben3). Diese Interpretation der Versuche ist jedoch 
unzulässig. Die Ueberlegung, ob wir eine Bewegung ausführen sollen oder 
nicht, ist eben so gut eine Wahlhandlung wie die Ueberlegung, ob wir von 
zwei Bewegungen die eine oder die andere ausführen; sie ist nur von etwas 
einfacherer Art. Auch beobachtet man bei der Ausführung der Methode, wenn 
1) Vgl. I, S. 242, 287. 
2) de Jaager a. a. 0. Donders, Archiv f. Anatomie u. Physiologie, 4 868, S. 657 ff. 
3) Y. Kries und Auerbach, Archiv f. Physiologie, 4 877, S. 300. 
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