Zusammengesetzte Reactionsvorgänge.
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halten sein; wegen des wandelbaren Verhältnisses, in welchem dies statt¬
finden kann, werden aber gerade solche mittlere Reactionen hier, wie
schon bei der einfachen Reaction, am allerwenigsten zu irgend welchen
Schlüssen verwerthbar sein. Ueber die physiologischen Verhältnisse der
Leitung und Uebertragung geben sie keine Auskunft, weil noch ein unbe¬
stimmter Theil der psycho-physischen Vorgänge hinzukommt; auch auf
die letzteren lassen sie aber keine Folgerungen zu, weil sich niemals er¬
mitteln lässt, welche der in einem Vorgang vereinigten elementaren Acte
verkürzt oder ganz eliminirt wurden, und weil im allgemeinen voraus¬
zusetzen ist, dass diese Acte überhaupt erst unvollständig abgelaufen sind,
wenn die äußere Reaction erfolgt. Hierfür spricht namentlich der Um¬
stand, dass, sobald einmal die Tendenz zu automatischen Coordinationen
eingetreten ist, die zusammengesetzten Reactionszeiten sich so lange durch
die so genannte Uebung zu verkürzen scheinen, bis die dem vollständigen
Automatismus entsprechende Minimalzeit erreicht ist.
In den bisherigen Untersuchungen sind die Zeiträume der wirklichen
psychischen Vorgänge und die Zeitverhältnisse dieser automatischen Coor¬
dinationen nicht aus einander gehalten. Von einzelnen ßeobachtern wurden
Reactionen, die durchgängig automatisch geworden waren, als Unterschei-
dungs- und Wahlacte aufgefasst; von andern wurden automatische Reac¬
tionen mit solchen, bei denen jene psycho-physischen Acte noch mitwirk¬
ten, zusammengeworfen. So erhielten z. ß. Donders und de Jaager in
verschiedenen Fällen folgende Zeitdifferenzen zwischen zusammengesetzter
und einfacher Reaction, die sie demnach als Zeitwerthe der Unterschei¬
dung und Wahl betrachteten*) :
Art des Eindrucks
Gewählte Bewegung Unterscheidungs- und Wahlzeit
u
Tastreiz, rechter und
linker Fuß . . . .
Rechte und linke Hand
66 0
Lichtreiz, rotbes und
weißes Licht . . .
-
154
3)
Schallreiz , 2 Vocal-
klänge......
Wiederholung desselben Klangs
56
4)
Schallreiz, 5 Vocal-
klänge......
-
88
Die Einflüsse, welche die Verzögerung der Lichterregung bedingen,
sind bei der hier in Abzug gekommenen einfachen Reaction schon in
Rechnung gebracht; es ist daher kaum denkbar, dass der eigentliche
Unterscheidungsact zwischen zwei Farben doppelt so viel Zeit wie die
Unterscheidung zwischen zwei Hautstellen beansprucht. Wenn wir aber
1 ) de Jaager, De physiologische Tijd bij psychische Processen. Utrecht iS65.
Wundt, Grundzüge. II. 3. Aufl. 21