Zusammengesetzte Reactionsvorgänge.
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liehen Zeiten verschiedener Individuen nur wenig abweichen1). Dieser
Umstand weist daraufhin, dass auch bei dem Uebergang zur Associations-
reaction bei den Beobachtern mit verkürzter Reactionszeit die Reactions-
form sich ändert. Da aber die Unterschiede der einfachen Reactionszeiten
gegenüber der absoluten Größe der Associationsreactionen wenig in Be¬
tracht kommen, so werden bei sämmtlichen Beobachtern die berechneten
Zeiten von den wirklichen nicht erheblich abweichen2). Trotz der Gon¬
stanz der Mittelwerthe ist die mittlere Variation der Associationsreactionen
begreiflicher Weise eine sehr erhebliche, da die Menge und Leichtigkeit
der associativen Beziehungen bei den einzelnen Vorstellungen außerordent¬
lich verschieden ist. Ein gewohntes oder in geläufigen Associationsbezieh¬
ungen stehendes Wort ruft natürlich rascher eine Reproduction hervor als
ein seltener gebrauchtes oder relativ isolirtes. Dies zeigt deutlich die
folgende Zusammenstellung beobachteter Minimal- und Maximalzeiten,
denen ich die entsprechenden qualitativen Vorstellungsassociationen beifüge.
Beobachter Kürzeste Associationszeit
R. B. 445 (Pflicht—Recht)
M. T. 441 (Zeit—Zeitmessapparat
TV. TU. 34t (Sturm—Wind)
Längste Associationszeit
1132 (Lahm—Krücke)
1132 (Leim—Vogelfalle)
1190 (Staub—Sand)
Werden nicht, wie es oben geschah, die Mittel aus allen, sondern
bloß diejenigen aus den häufigsten Associationen berechnet, so liegen
diese Mittel der unteren dieser Zeitgrenzen viel näher als der oberen.
So fand Kraepelin bei sich selbst 570er, bei Trautscholdt 400 a als Mittel
der frequentesten Associationen3). Die leichtesten Associationen sind
also, was übrigens von vornherein erwartet werden konnte, immer auch
die häufigsten.
Bringt man ferner die Associationen in gewisse Classen, so zeigen
sich Unterschiede ihrer mittleren Dauer, welche charakteristische indivi¬
duelle Abweichungen darbieten. Mit Rücksicht darauf, dass bei den oben
beschriebenen Versuchen die Association stets von einer Wortvorstellung
ausgeht, lassen sich in diesem Fall drei Hauptclassen unterscheiden:
I) Wortassociationen, bei denen lediglich ein bestimmtes Wort ein anderes
vermöge häufiger Verbindung mit demselben reproducirt, wie z. B. bei
\ ) Nur bei S. H. ist die Associationszeit eine merklich längere; hier macht aber
die geringere Uebung in der deutschen Sprache die langsamere Association auf zu¬
gerufene deutsche Worte erklärlich.
2) Anders ist dies auch hier wieder bei den Unterscheidungszeiten, wo der Werth
von 570 für M. T. auf verkürzte Reactionen hinweist. R. B. und M. T. reagirten
offenbar beide muskulär; R. B. ging aber schon bei den Unterscheidungsreactionen,
M. T. erst bei den Associationsreactionen zur sensoriellen Reaction über. Darum ist
U bei R. B. offenbar zu groß, bei M. T. zu klein.
3) Kraepelin, Tageblatt der Naturforscherversammlung zu Straßburg, 4 885.