Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

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Apperception und Verlauf der Vorstellungen. 
berechneten Werthe U und W falsch sein müssen, und dass überall, wo die 
Reactionszeit verkürzt ist, auch die Neigung besteht zu kurze Unterscheidungs- 
reactionen auszuführen, wodurch die Werthe von U zu kurz und die von W 
zu lang gefunden werden. Dies bestätigt aber zugleich die oben gemachte Be¬ 
merkung, dass Individuen mit verkürzter Reactionszeit beim Uebergang zu 
Wahlreactionen in der Regel von selbst zur vollständigen Reactionsform über¬ 
gehen, so dass in diesem Fall der einfache und der zusammengesetzte Reactions- 
vorgang nicht mit einander verglichen werden können. Das nämliche ergibt 
sich auch noch aus einer andern Erscheinung. Man beobachtet nämlich, dass 
sich bei Versuchspersonen mit verkürzter einfacher Reaction durch den Einfluss 
vorangegangener Wahlreactionen in der Regel die Reactionszeit verlängert1). 
Nun ist es eine allgemeine Erfahrung, dass man eine einmal angenommene 
Reactionsgewohnheit eine Zeit lang festhält , auch wenn die unmittelbar sie 
herbeiführenden Bedingungen zu wirken aufgehört haben. Die durch den Wahl¬ 
vorgang aufgenöthigte Form der sensoriellen Reaction macht also in diesem 
Fall auch die nachfolgenden einfachen Reactionen zu mehr oder minder sen¬ 
soriellen. 
3) Associationen. Mit den Vorstellungen, welche durch äußere 
Sinneseindrücke geweckt werden, verweben sich fortwährend die Er¬ 
innerungsbilder früherer Vorstellungen, bald die unmittelbare Wahrnehmung 
ergänzend und mit ihr untrennbar verschmelzend, bald ihr selbständig 
gegenübertretend und dann durch ein Zeitintervall deutlich getrennt, 
Zieht sich unsere Aufmerksamkeit zurück von der sinnlichen Wahr¬ 
nehmung, so beginnen nun die Erinnerungsbilder selbst mit einander zu 
wechseln. Die Gesetze dieses Wechsels mit Rücksicht auf den qualita¬ 
tiven Inhalt der Vorstellungen zu untersuchen, wird Aufgabe des näch¬ 
sten Gapitels sein; hier haben wir zunächst die zeitlichen Verhältnisse 
desselben kennen zu lernen. Die Frage nach der Dauer der Repro¬ 
duction einer durch Association erweckten Vorstellung lässt sich nun 
namentlich für einen bestimmten Fall in exacter Weise beantworten, 
für den Fall nämlich, dass ein äußerer Sinneseindruck gegeben wird, 
welcher durch Association ein Erinnerungsbild wachruft. Hier kann, wenn 
die Zeit des Eindrucks genau bekannt, und durch Controlversuche die 
Zeit der Apperception desselben bestimmt ist, die für die Reproduction 
erforderliche Zeit ermittelt wrerden, indem man von dem ganzen Zeit¬ 
raum Rua, welcher vom äußeren Reiz bis zum Eintritt des Erinnerungs¬ 
bildes verfließt, denjenigen Theil Ru abzieht, welcher der Erkennungs¬ 
und Reactionszeit auf den directen Sinnesreiz entspricht. Es liegt nun 
aber keinerlei Grund vor anzunehmen, dass die Dauer, welche eine durch 
ein anderes Erinnerungsbild erweckte Vorstellung zu ihrer Reproduction 
gebraucht, von der hier beobachteten wesentlich verschieden sei; wir 
1) Tischer, Philos. Stud., I, S. 540.
	        
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