Umfang des Bewusstseins und Schwankungen der Aufmerksamkeit.
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solchen Schwankungsperiode bestimmen, indem man die Momente größter
Deutlichkeit desselben an einer zeitmessenden Vorrichtung fixirt. Die
nach dieser Methode von N. Lange ausgeführten Versuche ergaben eine
Zeit von 2,5—4,0" für die Dauer einer Spannungsperiode, voll¬
kommen übereinstimmend mit den vorhin aus den Taktversuchen gezoge¬
nen Schlüssen *). Die Dauer der Perioden war in hohem Grade constant,
der Wechsel also auch hier ein regelmäßig rhythmischer. Die einzelnen
Sinnesgebiete zeigten jedoch kleine Unterschiede in Bezug auf die Dauer
ihrer Perioden. Am kürzesten war diese bei den elektrischen Hautem¬
pfindungen, nämlich 2,5—3,0", wenig länger bei den Lichtempfindungen,
3,0—3,4", am längsten bei den Gehörsempfindungen, 3,5—4,0". Sucht
man die Erinnerungsbilder jeder dieser Arten von Empfindungen festzu¬
halten, so zeigen auch diese ähnliche Schwankungen. Dieselben sind aber
ein wenig kürzer als die
Perioden der unmittel-
baren Sinnesempfindun¬
gen: sie bewegen sich
AO
Fig. 197.
zwischen 2,0 und 3,6".
Von hohem Interesse
sind endlich noch die Er- ü
scheinungen, die eintreten,
wenn man minimale Sin¬
nesreize von dauernder
Beschaffenheit auf zwei
Sinne gleichzeitig ein¬
wirken lässt und nun
in ähnlicher Weise die
Schwankungen der Aufmerksamkeit verfolgt. Da diese bei den ver¬
schiedenen Sinnen von verschiedener Dauer sind, so würde, wenn eine
unmittelbare Superposition beider Vorgänge stattfände, die eine Apper¬
ception bald mit der anderen zusammenfallen, bald von ihr abweichen.
Es könnte aber auch vermuthet werden, dass immer beide Apperceptionen
gleichzeitig erfolgen, indem etwa die langsamere Periode zur Geltung ge¬
langte, und die zwei Eindrücke sich wie Elemente einer complexen Vor¬
stellung verhielten. Keiner dieser Fälle tritt jedoch ein, sondern die
beiden Processe verbinden sich wieder zu einem regelmäßig periodischen
Wechsel von zusammengesetzter Beschaffenheit. Die Fig. 197 veranschau¬
licht di ese Erscheinungen für Schall- und Lichteindrücke. Die Curve A
stellt die Schwankungen der Aufmerksamkeit dar, wenn ein akustischer
1) N. Lange, Philos. Stud., IV, S. 390 ff.