Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Umfang des Bewusstseins und Schwankungen der Aufmerksamkeit. 247 
aufgefasst werden können; und zweitens indem man successiy eine 
Reihe von gleichartigen Sinnesreizen einwirken lässt und ermittelt, wie 
viel neue Eindrücke zu einem zuerst gegebenen hinzutreten können, bis 
jener aus dem Bewusstsein verdrängt wird. 
Mit Hülfe der ersten dieser Methoden ist es jedoch nur möglich zu 
bestimmen, wie viele Eindrücke annähernd in einem Zeitmoment apper- 
cipirt werden, während es dahingestellt bleibt, wie viele etwa noch außer¬ 
halb des Blickpunktes des Bewusstseins befindlich sind. Man erhält also 
auf diesem Wege über den Umfang der Apperception, nicht aber 
über den Umfang des Bewusstseins einigen Aufschluss. Dem entsprechend 
ist man sich auch, wenn mehr Eindrücke dargeboten werden, als apper- 
cipirt werden können, deutlich bewusst, dass noch andere Eindrücke vor¬ 
handen waren ; man ist aber nicht oder doch erst mittelst einer wohl 
bemerkbaren Succession im Stande, sich dieselben bestimmt zu vergegen¬ 
wärtigen. Als störendes Moment kommt bei diesen Versuchen die Mög¬ 
lichkeit in Betracht, dass ein rasches Durchlaufen einer Reihe mit einer 
simultanen Auffassung verwechselt werden könnte ; doch darf diese Gefahr 
wohl deshalb als ausgeschlossen gelten, weil man sich bei diesen Versu¬ 
chen sehr deutlich des Unterschieds einer wirklich simultanen Auffassung 
und einer bloß successiven Reproduction simultaner Eindrücke bewusst 
wird, und es daher möglich ist Beobachtungen der letzteren Art auszu¬ 
schließen. Unter Beachtung der hierdurch geforderten Vorsicht findet sich 
nun, dass man im Stande ist, 4—5 unverbundene Gesichtseindrücke (Li¬ 
nien, Buchstaben, Ziffern) gleichzeitig zu appercipiren. Diese Zahl steigert 
sich etwa auf das dreifache ihrer Größe, wenn die Eindrücke in eine 
bekannte Vorstellung als Bestandtheile eingehen *). Man bemerkt übrigens 
leicht bei derartigen Beobachtungen, dass die Eindrücke auch dann, wenn 
sie nicht Bestandtheile einer schon geläufigen Vorstellung bilden, doch zu 
einem zusammengehörigen Bilde sich vereinigen. Das ähnliche ist noch 
ausgesprochener bei einer Mehrheit von Gehörseindrücken wahrzunehmen, 
weil diese nicht extensiv auseinandertreten, sondern in eine einzige inten¬ 
sive Vorstellung verschmelzen; doch scheint auch hier ungefähr die näm¬ 
liche Zahl von einfachen Eindrücken noch in einer complexen Vorstellung 
unterscheidbar zu sein. 
1) Cattell, Philos. Stud. Ill, S. 121 ff. Es versteht sich von selbst, dass diese Ver¬ 
suche über den Umfang der Apperception für Gesichtseindrücke so eingerichtet sein 
müssen, dass dabei der Einfluss der Beschränkung des directen Sehens ausgeschlossen 
ist. Die Bilder müssen also hinreichend klein sein, damit eine größere Zahl als die 
der Grenze der Apperception entsprechende noch direct gesehen werden kann. Die 
Versuche Cattell’s sind mittelst des unten zu beschreibenden Fall ehr on o m eter s 
(Cap. XVI) ausgeführt, und die Dauer des Eindrucks betrug in der Regel 0,01", eine 
Zeit die genügend ist um die Netzhaut zu erregen, aber ein successives Durchlaufen 
der Eindrücke ausschließt.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.