Aufmerksamkeit und Wille. 243
Beschaffenheit dieses Processes erklärlich, dass die monotone Fixirung der Auf¬
merksamkeit auf eine einzige Vorstellung schwierig und überhaupt nur mittelst
wechselnder Spannungen und Entspannungen, also auf Grund der unten zu schil¬
dernden periodischen Vorgänge möglich wird. Denn Innervationen von identi¬
scher Beschaffenheit sind immer nur in der Form wiederholter, am besten
rhythmischer Anstöße, die von Ruhepausen unterbrochen sind, niemals aber in
Gestalt gleichmäßiger Dauererregungen möglich. Schließlich könnte man übrigens
noch darüber zweifelhaft sein, ob es nicht zureiche nur eine Art centrifugaler
Erregungen des Apperceptionsorgans, nämlich motorische, anzunehmen, da ja
die secundären Effecte der muskulären Innervationen schon eine Verstärkung
der Vorstellungen durch jene Miterregung, welche der Association der Bewe-
gungs- und Sinnesempfindungen zu Grunde liegt, erklären. Aber so sehr die
Thatsache, dass bei den Erinnerungsbildern die Bewegungsempfindung der ein¬
zige mit der Lebendigkeit des unmittelbaren Sinneseindrucks wirksame Bestand¬
teil ist, in jener Association ein äußerst wichtiges Moment für die verstärkende
sinnliche Wirkung der Aufmerksamkeit erblicken lässt, so würde es doch nicht
möglich sein, hieraus die Ent Stellung der Aufmerksamkeit zu erklären. Denn
eine äußere Willenshandlung und demgemäß auch die Innervation, durch die
sie herbeigeführt wird, ist offenbar selbst erst auf Grund einer subjectivën
Bevorzugung der Vorstellung der Handlung möglich. In dieser Bevorzugung einer
Vorstellung besteht aber eben das Wesen der Apperception. Demnach muss der
sensorische Bestandteil der apperceptiven Erregung dem motorischen voraus¬
gehen oder mindestens mit ihm gleichzeitig sein. Die in unserem Schema vor¬
ausgesetzte doppelte centrifugale Verbindung erscheint daher als die wahr¬
scheinlichste; der vorwiegende Einfluss der motorischen Innervation aber erklärt
sich hinreichend daraus, dass diese zugleich einen centralen und einen periphe¬
rischen, die sensorische Innervation dagegen nur einen centralen Angriffspunkt
für ihre Wirkungen besitzt.
Zumeist hat man bei der Thätigkeit der Aufmerksamkeit nur in jenen
Fällen, wo sich die Willensanstrengung entweder in auffallend hohem
Grade geltend macht, oder wo deutlich eine Wahl zwischen verschiedenen
disponibeln Vorstellungen stattfindet, eine innere Wirksamkeit des Willens
angenommen. Die Aufmerksamkeit selbst wurde danach in eine will¬
kürliche und unwillkürliche unterschieden. Man verkennt dabei
völlig, dass auch bei der äußeren Willenshandlung ein Schwanken zwi¬
schen verschiedenen Motiven durchaus nicht nothwendig vorhanden sein
muss. Der Wille kann eindeutig bestimmt sein, ein Fall, dessen
Möglichkeit zu dem bei den complicirteren Willenshandlungen dem Ent¬
schluss vorausgehenden Kampf der Motive die nothwendige Vorbedingung
bildet. In der,That ist wahrscheinlich nicht bloß bei den niedereren
Thieren sondern bei uns selbst die überwiegende Zahl der Willenshand¬
lungen eindeutig determinirt, und oft genug schiebt erst die nachträgliche
Reflexion, welche uns sagt, dass auch eine andere Handlung möglich
gewesen wäre, einem solchen einfachen Willensact die Motive einer Wahl
unter. Weiterhin muss aber sogar die Apperception als der primitive
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