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Das Bewusstsein.
aber ist es im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die Richtung der
Aufmerksamkeit auf ein Object oder die Apperception desselben niemals
anders als unter Mithülfe der vorerwähnten Bewegungsempfindungen ge¬
schehen kann, die eben damit, dass sie der Vorstellung unter allen Um¬
ständen einen sinnlich lebendigen Empfindungsbestandtheil hinzufügen,
auch verstärkend auf die übrigen Elemente der Vorstellung einwirken.
Wir können demnach annehmen, dass jede im Blickfeld des Bewusst¬
seins auftauchende Vorstellung einen Reiz ausübt, durch den sie die Auf¬
merksamkeit zu erregen strebt. Diese Erregung selbst besteht dann aber
zunächst aus einer dem Eindruck correspondirenden motorischen Inner¬
vation, welche Bewegungsempfindungen hervorruft, die nun ihrerseits
wieder durch ihre Affinität zu der Vorstellung auch auf die sensorischen
Bestandtheile der letzteren verstärkend zurückwirken, ein Effect, der
seinerseits geeignet ist den Bewegungsimpuls zu vergrößern, so dass inner¬
halb gewisser Grenzen beide Momente wechselseitig sich heben.
Beobachtungen, welche für den hier erörterten Einfluss der motorischen
Innervation überzeugend eintreten, sind besonders von N. Lange l) bei Gelegen¬
heit seiner unten zu erwähnenden Untersuchungen über die periodischen Schwan¬
kungen der Aufmerksamkeit gesammelt worden. So bemerkt derselbe, dass bei
der willkürlichen Erzeugung von Erinnerungsbildern zumeist Augenbewegungen
wahrzunehmen sind, die den Conturen des Gegenstandes entsprechen, und dass
ebenso der Vorstellungswechsel bei der Betrachtung mehrdeutiger Bilder wie der
Fig. 1 82 [S. 174) von wechselnden Augenbewegungen herrührt. Auf den Einfluss
der letzteren bei stereoskopischen Wahrnehmungen und beim Wettstreit der Seh¬
felder ist schon oben hingewiesen worden2). Das früher (Fig. 76, I, S. 23 6)
mitgetheilte Apperceptionsschema gestattet es, diese Verhältnisse der Apperception
auch nach ihrer physiologischen Seite zu veranschaulichen. Denken wir uns,
dass in dem Sehcentrum SC Erregungen a b c entstehen, die dem Auftauchen
entsprechender Vorstellungen im Blickfeld des Bewusstseins parallel gehen, so
werden zugleich, wie wir dies früher voraussetzten, dem Apperceptionsorgan
AC die zugehörigen Signalreize x y z zugeführt werden, welche hier entweder
wirkungslos verschwinden oder centrifugale, und zwar sowohl sensorische wie
motorische Erregungen (wie l u, m s), auslösen. Unter diesen sind aber allein
die letzteren zugleich von peripherischen Erfolgen, nämlich Muskelbewregungen
begleitet, die nun wieder als actuelle Reize auf das Sensorium einwirken, in¬
dem sie zunächst Bewegungsempfindungen, mit diesen zugleich aber die ihnen
associirten Sinnesempfindungen hervorrufen. Die so verstärkte Erregung kann
dann von neuem auch das Apperceptionsorgan durch Signalreize erregen und auf
diese Weise, durch abermalige Steigerung der von hier ausgehenden centrifu-
galen Erregung, eine immer wachsende Spannung namentlich der motorischen
Begleiterscheinungen der Apperception herbeiführen. Dieser Process ist als
sinnliche Unterlage einer jeden planmäßigen Spannung und Concentration der
Aufmerksamkeit ziemlich deutlich zu beobachten. Zugleich macht es aber die
1) N. Lange, Philos. Studien, IV, S. 390.
2) Vgl. S. 173 und 185 f., sowie meine Beitr. zur Theorie der Sinneswahrn. S. 362 ff.