Aufmerksamkeit und Wille.
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keit gelingt es übrigens, wie schon Helmholtz1) bemerkt hat, auch auf
indirect gesehene Theile des Objectes den Blickpunkt der Aufmerksamkeit
zu verlegen; in diesem Fall wird das direct Gesehene verdunkelt. Com-
plicirtere Formen erfassen wir immer erst nach mehreren momentanen
Erleuchtungen, bei deren jeder sich in der Regel der äußere und der
innere Blickpunkt einem andern Theile des Sehfeldes zuwenden. Man kann
aber auch willkürlich den äußeren Blickpunkt festhalten und bloß den
inneren über das Object wandern lassen. Bei diesem Versuch stellt sich
dann die weitere Eigenschaft desselben heraus, dass mit zunehmender
Dauer oder öfterer Wiederholung der Eindrücke seine Ausdehnung wächst,
ohne dass, wie bei der wechselnden Auffassung momentaner Reize, seine
Helligkeit in entsprechendem Maße vermindert wird. An Schalleindrücken
lassen sich im allgemeinen die nämlichen Verhältnisse darlegen. Es eignen
sich dazu vorzugsweise harmonische Zusammenklänge. Auch hier kann der
Blickpunkt von einem Klang zum andern übergehen, sich erweitern und
verengern, und mit wachsender Dauer des Eindrucks wächst die Zahl der
Töne, die gleichzeitig deutlich wahrgenommen werden können.
Die Auffassung disparater Eindrücke wird von den gleichen Ge¬
setzen der Aufmerksamkeit beherrscht. Hierbei gilt aber außerdem die
Regel, dass die gleichzeitig in den Blickpunkt des Bewusstseins tretenden
Einzelvorstellungen immer Bestandteile einer complexen \orstellung bil¬
den. Wenn man z. B. den Gang eines vor einer Scala geräuschlos
schwingenden Pendels verfolgt und gleichzeitig in regelmäßigen Intervallen
durch eine ganz andere Vorrichtung einen Schall entstehen lässt, so ge¬
lingt es unter Umständen mit der Vorstellung eines bestimmten Pendel¬
standes die des gleichzeitig gehörten Schalls zu verbinden. Man bringt,
dann den letzteren in unmittelbare Verbindung mit dem Gesichtsbilde,
ist aber nicht im Stande gleichzeitig mit dem Pendel etwa das Bild des
auf eine Glocke herabfallenden Hammers, der den Schall hervorbringt, in
den inneren Blickpunkt zu verlegen. Wir vereinigen also auch dann
gleichzeitig erfasste disparate Einzelvorstellungen zu einer Complexion,
wenn dieselben in Wirklichkeit von verschiedenen äußeren Objecten her¬
rühren. Dieser Verschiedenheit werden wir uns erst bewusst, indem wir
den inneren Blickpunkt vom einen zum andern Objecte wandern lassen.
Die Einflüsse, welche die Apperception lenken, sind theils äußere
theils innere. Stärke der Eindrücke, Fixation der Gesichtsobjecte, Bewe¬
gung der Augen längs der begrenzenden Conturen stehen hier in erster
Linie. Aus einer Summe gleichzeitiger Eindrücke treten vorzugsweise
solche in den Blickpunkt des Bewusstseins, die kurz zuvor gesondert zur
4) Physiologische Optik, S. 741.