Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Aufmerksamkeit und Wille. 
237 
keit gelingt es übrigens, wie schon Helmholtz1) bemerkt hat, auch auf 
indirect gesehene Theile des Objectes den Blickpunkt der Aufmerksamkeit 
zu verlegen; in diesem Fall wird das direct Gesehene verdunkelt. Com- 
plicirtere Formen erfassen wir immer erst nach mehreren momentanen 
Erleuchtungen, bei deren jeder sich in der Regel der äußere und der 
innere Blickpunkt einem andern Theile des Sehfeldes zuwenden. Man kann 
aber auch willkürlich den äußeren Blickpunkt festhalten und bloß den 
inneren über das Object wandern lassen. Bei diesem Versuch stellt sich 
dann die weitere Eigenschaft desselben heraus, dass mit zunehmender 
Dauer oder öfterer Wiederholung der Eindrücke seine Ausdehnung wächst, 
ohne dass, wie bei der wechselnden Auffassung momentaner Reize, seine 
Helligkeit in entsprechendem Maße vermindert wird. An Schalleindrücken 
lassen sich im allgemeinen die nämlichen Verhältnisse darlegen. Es eignen 
sich dazu vorzugsweise harmonische Zusammenklänge. Auch hier kann der 
Blickpunkt von einem Klang zum andern übergehen, sich erweitern und 
verengern, und mit wachsender Dauer des Eindrucks wächst die Zahl der 
Töne, die gleichzeitig deutlich wahrgenommen werden können. 
Die Auffassung disparater Eindrücke wird von den gleichen Ge¬ 
setzen der Aufmerksamkeit beherrscht. Hierbei gilt aber außerdem die 
Regel, dass die gleichzeitig in den Blickpunkt des Bewusstseins tretenden 
Einzelvorstellungen immer Bestandteile einer complexen \orstellung bil¬ 
den. Wenn man z. B. den Gang eines vor einer Scala geräuschlos 
schwingenden Pendels verfolgt und gleichzeitig in regelmäßigen Intervallen 
durch eine ganz andere Vorrichtung einen Schall entstehen lässt, so ge¬ 
lingt es unter Umständen mit der Vorstellung eines bestimmten Pendel¬ 
standes die des gleichzeitig gehörten Schalls zu verbinden. Man bringt, 
dann den letzteren in unmittelbare Verbindung mit dem Gesichtsbilde, 
ist aber nicht im Stande gleichzeitig mit dem Pendel etwa das Bild des 
auf eine Glocke herabfallenden Hammers, der den Schall hervorbringt, in 
den inneren Blickpunkt zu verlegen. Wir vereinigen also auch dann 
gleichzeitig erfasste disparate Einzelvorstellungen zu einer Complexion, 
wenn dieselben in Wirklichkeit von verschiedenen äußeren Objecten her¬ 
rühren. Dieser Verschiedenheit werden wir uns erst bewusst, indem wir 
den inneren Blickpunkt vom einen zum andern Objecte wandern lassen. 
Die Einflüsse, welche die Apperception lenken, sind theils äußere 
theils innere. Stärke der Eindrücke, Fixation der Gesichtsobjecte, Bewe¬ 
gung der Augen längs der begrenzenden Conturen stehen hier in erster 
Linie. Aus einer Summe gleichzeitiger Eindrücke treten vorzugsweise 
solche in den Blickpunkt des Bewusstseins, die kurz zuvor gesondert zur 
4) Physiologische Optik, S. 741.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.