Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

236 
Das Bewusstsein. 
jenigen Theil des letzteren, welchem die Aufmerksamkeit zugekehrt ist, 
als den inneren Blickpunkt bezeichnen. Den Eintritt einer Vor¬ 
stellung in das innere Blickfeld wollen wir die Perception, ihren Ein¬ 
tritt in den Blickpunkt die Apperception nennen1). 
Der innere Blickpunkt kann sich nun successiv den verschiedenen 
Theilen des inneren Blickfeldes zuwenden. Zugleich kann er sich jedoch, 
sehr verschieden von dem Blickpunkt des äußeren Auges, verengern und 
erweitern, wobei immer seine Helligkeit abwechselnd zu- und ab nimmt. 
Streng genommen ist er also kein Punkt, sondern ein Feld von etwas 
veränderlicher Ausdehnung. Immer jedoch bildet dieses Feld der Apper¬ 
ception eine einheitliche Vorstellung, indem wir die einzelnen Theile 
desselben zu einem Ganzen verbinden. So verbindet die Apperception 
eine Mehrheit von Schalleindrücken zu einer Klang- oder Geräuschvor¬ 
stellung, eine Mehrzahl von Sehobjecten zu einem Gesichtsbild. Soll 
eine möglichst deutliche Auffassung stattfinden, so muss aber außerdem die 
Zahl der Bestandtheile, aus denen sich die Vorstellung zusammensetzt, eine 
beschränkte sein. Je enger und heller hierbei der Blickpunkt ist, in um 
so größerem Dunkel befindet sich das übrige Blickfeld. Am leichtesten 
lassen sich diese Eigenschaften nachweisen, wenn man das äußere Seh¬ 
feld des Auges zum Gegenstand der Beobachtung nimmt, wo durch das 
Hülfsmittel einer instantanen Erleuchtung die Beobachtung auf Vorstellungen 
eingeschränkt werden kann, die während einer sehr kurzen Zeit nur dem 
Bewusstsein gegeben sind. Dabei wird der Blickpunkt des Sehfeldes ver¬ 
möge seiner schärferen Empfindung auch vorzugsweise zum Blickpunkt des 
Bewusstseins gewählt; doch lässt sich leicht die abwechselnde Verengerung 
und Erweiterung des letzteren bemerken. Von einer Druckschrift z. B. kann 
man, wenn es sich nur darum handelt dieselbe zu lesen, mehrere Wörter 
auf einmal erkennen. Will man dagegen die genaue Form eines einzelnen 
Buchstabens bestimmen, so treten schon die übrigen Buchstaben desselben 
Wortes in ein Halbdunkel. Durch willkürliche Lenkung der Aufmerksam- 
1 ) Leibniz, der den Begriff der Apperception in die Philosophie einführte, versteht 
darunter den Eintritt der Perception in das Selbstbewusstsein. (Opera philosophica ed. 
Erdmann, p. 715.) Menti tribuitur apperceptio, wie Wolff es ausdrückt, quatenus per- 
ceptionis suae sibi conscia est (Psychologia empir. § 25). Da sich aber entschieden das 
Bedürfniss geltend macht, neben dem einfachen Bewusstwerden einer Vorstellung, der 
Perception, die Erfassung derselben durch die Aufmerksamkeit mit einem besonderen 
Namen zu belegen, so sei es mir gestattet, den Ausdruck »Apperception« in diesem er¬ 
weiterten Sinne zu gebrauchen. Die Selbstauffassung ist nämlich immer auch Erfassung 
durch die Aufmerksamkeit, die letztere ist aber nicht nothwendig auch Selbstauffassung. 
Schon Herbart hat die Nöthigung empfunden, den Begriff der Apperception zu ver¬ 
ändern, jedoch in einer Weise, der wir uns hier nicht anschließen können. Vgl. 
darüber Gap. XVII, sowie die historisch-kritische Erörterung über die Entwicklung 
dieses wichtigen Begriffs von Otto Staude, Phil. Stud., 1, S. 149 ff.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.