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Tast- und Bewegungsvorstellungen.
Der Begriff des Empfindungskreises, wie er hier aufgestellt worden,
ist bloß ein anderer Ausdruck für die Thatsache der räumlichen Schwelle
und ihrer Größenverschiedenheiten; über die in der Haut getroffenen Ein¬
richtungen wird durch denselben noch nichts festgestellt. Ehe dies ge¬
schehen kann, müssen die verschiedenen Einflüsse erwogen sein, von denen
die Ausdehnung der Empfindungskreise abhängt. Von diesen Einflüssen
weisen aber die einen auf in der Organisation gegebene unveränderliche
Structurbedingungen, die andern auf die Mitwirkung mehr variabler psy¬
chologischer Momente hin.
Unter den Structurbedingungen stehen die Verhältnisse der Nerven-
vertheilung und der Verbreitung besonderer Tastapparate oben an. Je
reicher ein Hautbezirk an sensibeln Nerven ist, die sich in ihm ausbreiten,
um so feiner ist in ihm die Unterscheidung. Hauptsächlich die nerven-
reichsten Theile sind außerdem mit Tastkörperchen und Endkolben ver¬
sehen, durch welche wahrscheinlich die Nerven den Druckreizen leichter
zugänglich gemacht sind1). Sobald zwei mit solchen Apparaten versehene
Druckpunkte der Haut mit hinreichend punktförmigen Eindrücken getroffen
werden, so werden diese auch, wie es scheint, räumlich getrennt aufge¬
fasst. Darum bleiben die auf solche Weise unterschiedenen Minimal¬
distanzen stets erheblich unter dem Durchmesser der nach der Raum¬
schwelle für ausgebreitetere Eindrücke bemessenen Empfindungskreise2).
Doch sind jene Endgebilde keineswegs zur Localisation der Eindrücke un¬
erlässlich, da Hauttheile, welche derselben ganz entbehren, trotzdem zur
räumlichen Unterscheidung befähigt sind, und da Hautnarben, deren Ge¬
webe zwar sensible Nerven, aber keinerlei Tastkörper führt, gleichwohl
Eindrücke nicht nur empfinden sondern auch localisiren3). Zudem ist das
Uebereinandergreifen der Empfindungskreise, wie es nothwendig voraus¬
gesetzt werden muss, mit der Annahme von Tastorganen, welche durch
vollkommen unempfindliche Stellen getrennt wären, kaum oder doch
höchstens bei den durch großen Reichtum an Tastkörpern ausgezeichneten
Theilen vereinbar. Auch die Verhältnisse der räumlichen Ordnung der
U L s* 310 ff. . 2) Vergl. die beiden Tabellen auf S. 7.
3) Lussana (Arch. ital. de biol., IX, p. 268), der bei einem in Folge einer Ver¬
brennung eingetretenen großen Hautdefect noch Druck- und Schmerzempfindlichkeit
beobachtete, konnte allerdings die Unterscheidung einer Doppelberührung nicht con-
statiren. Aber da der Defect schwerlich den Durchmesser der größten Empfindungs¬
kreise (z. B. am Rücken) erheblich überschritten haben dürfte, so ist daraus nicht zu
schließen, dass das Narbengewebe unter allen Umständen zur räumlichen Unterschei-
dung von Eindrücken unfähig sei. Vielmehr ist principiell eine solche Unterschei¬
dungsfähigkeit offenbar vorauszusetzen, sobald überhaupt Localisation stattfindet, wenn
auch im einzelnen Fall eine Narbenfläche sehr selten die dazu erforderliche* Größe
erreichen mag. Denn die Localisation als die Aerlegung eines Eindrucks an einen
bestimmten Ort schließt doch ein, dass auch gleichzeitig ein zweiter Eindruck an
einen andern Ort verlegt werden könne.