Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Bedingungen und Grenzen des Bewusstseins. 
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darin, dass ein Wesen auf Eindrücke anscheinend in ähnlicher W7eise 
reagirt wie der Mensch, falls in diesem solche Eindrücke zu bewussten 
Vorstellungen werden, so wird man das Gebiet des Bewusstseins so weit 
ausdehnen müssen, als ein Nervensystem als Mittelpunkt von Sinnes- und 
Bewegungsapparaten zu finden ist. Einen Irrthum, der sich an diese Be¬ 
trachtungsweise leicht anknüpft, müssen wir jedoch zurückweisen. Da 
bei Wirbellosen einige Ganglienknoten als Gentralorgane des ganzen Nerven¬ 
systems zureichen, um die erforderlichen Zusammenhänge verschiedener 
Empfindungen herzustellen, so scheint es eine nahe liegende Folgerung, 
auch in einem höheren Wirbelthier oder im Menschen könnten möglicher¬ 
weise neben dem Centralbewusstsein noch mehrere Bewusstseinsstufen 
niedereren Grades in subordinirten Organen, wie in den Hirnhügeln, dem 
Rückenmark, den Ganglien des Sympathicus, existiren. Hier ist aber zu 
erwägen, dass alle Theile des Nervensystems in einem durchgehenden 
Zusammenhänge stehen. Das individuelle Bewusstsein ist von diesem 
ganzen Zusammenhang abhängig; der Zustand desselben wird von den Ein¬ 
drücken auf die verschiedensten Sinnesnerven, von motorischen Innerva¬ 
tionen und sogar von Einwirkungen innerhalb des sympathischen Systems 
gleichzeitig bestimmt. Es ist immer das nämliche Bewusstsein, welchen 
Gebieten auch die Vorstellungen angehören mögen, die in einem gegebenen 
Moment in ihm vorhanden sind. Die physiologische Grundlage dieser Ein¬ 
heit des Bewusstseins ist der Zusammenhang des ganzen Nervensystems. 
Daher ist es auch unzulässig, ein bestimmtes Organ des Bewusstseins in 
dem gewöhnlich angenommenen Sinne vorauszusetzen. Zwar zeigt die 
Untersuchung des Nervensystems der höheren Thiere, dass es hier ein 
Gebiet gibt, welches in näherer Beziehung zum Bewusstsein steht als die 
übrigen Theile, nämlich die Großhirnrinde, da in ihr, wie es scheint, nicht 
nur die verschiedenen sensorischen und motorischen Provinzen der Kör¬ 
perperipherie, sondern auch jene Verbindungen niedrigerer Ordnung, welche 
in den Hirnganglien, dem Kleinhirn u. s. w. stattfinden, durch besondere 
Fasern vertreten sind. Die Großhirnrinde ist also vorzugsweise geeignet, 
alle Vorgänge im Körper, durch welche bewusste Vorstellungen erregt 
werden können, theils unmittelbar theils mittelbar in Zusammenhang zu 
bringen. Nur in diesem beschränkteren Sinne ist beim Menschen, und 
wahrscheinlich bei allen Wirbelthieren, die Großhirnrinde Organ des Be¬ 
wusstseins. Hierbei darf man aber niemals vergessen, dass die Function 
dieses Organs diejenige gewisser ihm untergeordneter Centraltheile, wie 
z. B. der Vier- und Sehhügel, die bei der Synthese der Empfindungen 
eine unerlässliche Aufgabe erfüllen, voraussetzt1). 
1) Vgl. hierzu I, S. 218 ff. 
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