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Aesthetische Elementargefühle.
Hauptrichtungen, der formalistischen und der idealistischen, beruhe, als den
directen und als den associativen Factor der ästhetischen Wirkung be¬
zeichnet, welche beide in gewissem Sinne als gleichberechtigt anerkannt werden
müssten1). Unter dem directen Factor versteht er die unmittelbar in der Vor¬
stellung enthaltenen Momente, unter dem associativen diejenigen, die erst aus
den Beziehungen hervorgehen, in welche unser Bewusstsein den unmittelbaren
Eindruck zu anderen Vorstellungen bringt. Hiernach fällt der directe Factor im
wesentlichen mit den Grundlagen des ästhetischen Elementargefühls zusammen,
während dem associativen jene Gedankenverbindungen entsprechen, welche den
Zusammenhang des ästhetischen Gefühls mit anderen höheren Gefühlen ver¬
mitteln. Welche große Bedeutung den Vorstellungsverbindungen zukommt, in
welche für uns jeder äußere Eindruck sich einfügt, hat Göller in einer vor¬
trefflichen Analyse einiger ästhetischer Elementarwirkungen, vorzugsweise aus
dem Gebiete der Architektur, gezeigt2).
Seit den Anfängen der Aesthetik ist der Versuch, alle ästhetischen Wir¬
kungen auf ein Fundamentalprincip zurückzuführen, immer wiedergekehrt. Am
meisten hat sich in dieser Beziehung das sogenannte Princip der »Einheit in
der Mannigfaltigkeit« des Beifalls zu erfreuen gehabt. Dass nun einem
derartigen Princip, dessen Ausdruck freilich unbestimmt genug ist, in der That
viele Factoren der ästhetischen Wirkung ohne Schwierigkeit subsumirt werden
können, erhellt aus den obigen Ausführungen. Dagegen scheint es fraglich, ob
mit einer solchen Formel, welche theils sehr verschiedenartiges zusammenfasst,
theils doch allzu sehr vor der Außenseite der Dinge stehen bleibt, viel gewonnen
sei. Die nähere Analyse der Erscheinungen wird immer wieder geneigt sein,
eine solche Formel zu specialisiren oder ihr weitere Hiilfsprincipien an die
Seite zu stellen, wie solches am eingehendsten von Fechner 3) versucht worden
ist. Für die psychologische Analyse kann die Aufstellung derartiger Principien
werthvoll werden, sobald in ihnen gewisse allgemeinere psychologische That-
sachen ihren Ausdruck finden.
t) Fechner, Vorschule der Aesthetik, I, S. 86, 157.
2) Göller, Zur Aesthetik der Architektur, bes. S. 49, 121 ff.
3) A. a. O. I, S. 42 ff., II, S. 230 ff. Einen neuen und für die psychologische
Analyse vielleicht fruchtbareren Ausdruck gibt Göller dieser einheitlichen Verbindung
mannigfaltiger Elemente in seinem »Reihengesetz«. (A. a. O. S. 1 43 ff.)