Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Localisation der Tastempfindungen. 
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nehmung bestimmter räumlicher Distanzen. Auch führt möglicher Weise der 
Umstand, dass es sich um die Vergleichung verschiedener Hautstellen han¬ 
delt, weitere complicirende Bedingungen mit sich. 
Bei den von Vierordt und seinen Schülern ausgeführten Versuchen wurde 
ein »unwissentliches Verfahren« angewandt, indem man die mit einer gegebenen 
Distanz D angestellten Versuche mit Vexirversuchen untermischte, bei denen 
bloß ein Eindruck stattfand, so dass der Beobachter in jedem einzelnen Fall 
nicht wissen konnte, ob der Eindruck ein doppelter oder einfacher sei. Die 
späteren Versuche von Camerer zeigen jedoch, dass auch ein »wissentliches 
Verfahren« angewandt werden kann, indem man z. B. fortwährend und ohne 
eingelegte Vexirversuche die constante Distanz D anwendet. Nach einiger 
Uebung stört die vorhergehende Kenntniss der Eindrücke die Auffassung nicht 
mehr, ja es scheinen im Gegentheil die zufälligen Schwankungen bei diesem 
wissentlichen Verfahren geringer zu sein. Auch kommen, wenn man dasselbe 
auf Versuche mit bloß einem Eindruck, die also den Vexirversuchen des un¬ 
wissentlichen Verfahrens entsprechen, anwendet, analog wie bei den letzteren 
in einer gewissen Anzahl von Fällen Doppelempfindungen vor1). 
In Ermangelung sicherer mathematischer Anhaltspunkte, die zur Verwerthung 
der nach der Methode der r. u. f. F. gewonnenen Versuchsergebnisse dienen 
könnten, hat man sich meistens darauf beschränkt, mittelst einfacherer Annähe¬ 
rungsberechnungen aus den empirischen Daten Werthe zu gewinnen, die ein 
vergleichbares Maß der Ortsempfindlichkeit abgeben. So bestimmte Vierordt durch 
ein graphisches Verfahren, indem er die zu einander gehörigen Werthe von D und 
?' . T 
— durch die Abscissen und Ordinaten einer Curve darstellte, den zu — = 1 
n n 
gehörenden Werth von D1 also diejenige Distanz, bei der in allen Fällen die 
Eindrücke als getrennte erkannt werden müssten. Er bezeichnet denselben, da 
er annähernd der Feinheit der Unterscheidung umgekehrt proportional sein muss, 
als Stumpfheitswerth des Raumsinns. Dieses Verfahren ist, namentlich bei 
kleineren Werthen von D: nicht einwurfsfrei. Immerhin geben die so gewonnenen 
Zahlen ein deutliches Bild der gesetzmäßigen Veränderungen des Raumsinns, 
und man wird Vierordt’s »Stumpfheitswerthe« als ungefähr zusammenfallend 
mit den oberen Grenzwerthen der Raumschwelle betrachten dürfen. Die Be¬ 
stimmungen sind durchgängig bei querer Richtung der Eindrücke (senkrecht 
zur Längsaxe der Körpertheile) ausgeführt2). 
Oberarm 
Vorderarm 
Hand 
3. Finger 
Obere 
Grenzwerthe der Baumschwelle. 
Aenderung für je 1mm 
(Stumpfheitswerthe nach Vierordt.) 
der Längsrichtung. 
j oben . 
. . . 53,75 ..... 
| J/l393 
\ unten . 
. . . 44,58 ..... 
f oben . 
. . . 41,2t ..... 
. } Vais 
\ unten . 
. . . 22,54 ..... 
J oben . 
\ unten . 
. . . 20,41..... 
. . . 7,78..... 
J J/ö7 
f oben . 
\ unten . 
. . . 7,50..... 
. . . 2,47..... 
• ' ) V« 
1) W. Camerer, Zeitschr. f. Biologie, XIX, S. 285 ff. 
2) Vgl. Kottenkamp und Ullrich, Zeitschr. f. Biologie, VI, S. 37 ff. Paulus, ebend. 
IV, S. 237 ff. Riecker, ebend. IX, S. 95 ff. Hartmann, ebend. XI, S. 79 ff. Eine aus¬ 
führliche Zusammenstellung aller Versuchsresultate gibt Vierordt, Grundriss der Phy¬ 
siologie, 5. Aufl., S. 342 ff.
	        
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