Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

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Tast- und Bewegungsvorstellungen. 
Die sehr viel geringere Große dieser Werthe mag zum Theil dadurch 
bedingt sein, dass absichtlich auf einen Druckpunkt aufgesetzt wurde, also 
muthmaßlich jede der Spitzen mit einem der specifischen Tastapparate in Be¬ 
rührung kam. Außerdem ist aber zu erwägen, dass häufig sogar die Berührung 
mit bloß einer Spitze, wahrscheinlich in Folge einer reflexartig auftretenden 
Mitempfindung (I, S. 181 Anm.), als Doppelberührung empfunden wird. Hier¬ 
nach wird man die nach dem WEBER7schen Verfahren erhaltenen Zahlen eher 
als diejenigen Werthe anzusehen haben, die ein gewisses Maß für das normale 
räumliche Unterscheidungsvermögen des Tastorganes enthalten. Uebrigens fehlt 
es bis jetzt noch an Versuchen, welche die früher (I, S. 350) erörterten exacteren 
Gesichtspunkte für die Anwendung der Methode der Minimaländerungen auch auf 
die Bestimmung der Raumschwmlle übertragen. 
Versuche über die räumliche Unterscheidung von Temperaturreizen 
sind nur mit Rücksicht auf die Verbreitung der Kälte- und der Wärmepunkte 
von Goldscheider angestellt worden. Sie sind daher nur mit den analogen 
Versuchen desselben Beobachters über die Unterscheidung von Druckreizen ver¬ 
gleichbar. Auch hier wurden bloß die bei möglichst directer Berührung der 
Temperaturpunkte mit einer kalten oder warmen Metallspitze erhaltenen Mini- 
malwerthe der Raumentfernung bestimmt. Auf diese Weise ergaben sich fol¬ 
gende Werthe in Millimetern1). 
Kältepunkte 
Wärmepunkte 
Stirn . . . 
4—5 
Wange . . 
... 0,8 . . 
. . 3 
Kinn . . . 
. . . 0,8 . . 
. . 4 
Bauch und 
Rücken. \—2. . 
. . 4—6 
Hohlhand . 
... 0,8 . . 
. . 2 
Handrücken 
. . . 2—3 . . 
. . 3—4 
Fuß . . . 
... 3 
. . unbestimmt 
Diese Resultate sind offenbar weniger für die räumliche Unterscheidung 
der Eindrücke als für die relative Menge der Temperaturpunkte maßgebend. Dem 
entspricht es, dass hier die mit dem feinsten intensiven Temperatursinn 
begabten Theile (Stirn, Wange, Kinn) auch das feinste extensive Unter¬ 
scheidungsvermögen zeigen. 
Außer der Methode der Minimaländerungen hat für die Bestimmung der 
räumlichen Unterscheidung von Tast- und speciell von Druckreizen noch die 
Methode der richtigen und falschen Fälle Anwendung gefunden. Wird 
nämlich den beiden Eindrücken eine unveränderliche Entfernung gegeben, welche 
der Raumschwelle nahe kommt aber etwas unter derselben bleibt, so werden 
jene in oft wiederholten Beobachtungen bald richtig als zwei aufgefasst bald 
aber in einen Eindruck verschmolzen. Bei der Vergleichung verschiedener 
Hautstellen wird nun das Verhältniss —, welches für eine gegebene Distanz ge¬ 
funden wird, in einem bestimmten Verhältniss zur Localisationsschärfe stehen. 
Doch macht diese Maßmethode bei ihrer Anwendung auf extensive Wahrneh¬ 
mungen besondere Modificationen erforderlich. Denn die Messung bezieht sich 
in diesem Fall nicht, wie bei der Intensität der Empfindungen, auf Größen¬ 
unterschiede sondern auf absolute Größen, nämlich eben auf die Wahr- 
1) Goldscheider a. a. 0. S. 70 ff.
	        
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