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Tast- und Bewegungsvorstellungen.
Die sehr viel geringere Große dieser Werthe mag zum Theil dadurch
bedingt sein, dass absichtlich auf einen Druckpunkt aufgesetzt wurde, also
muthmaßlich jede der Spitzen mit einem der specifischen Tastapparate in Be¬
rührung kam. Außerdem ist aber zu erwägen, dass häufig sogar die Berührung
mit bloß einer Spitze, wahrscheinlich in Folge einer reflexartig auftretenden
Mitempfindung (I, S. 181 Anm.), als Doppelberührung empfunden wird. Hier¬
nach wird man die nach dem WEBER7schen Verfahren erhaltenen Zahlen eher
als diejenigen Werthe anzusehen haben, die ein gewisses Maß für das normale
räumliche Unterscheidungsvermögen des Tastorganes enthalten. Uebrigens fehlt
es bis jetzt noch an Versuchen, welche die früher (I, S. 350) erörterten exacteren
Gesichtspunkte für die Anwendung der Methode der Minimaländerungen auch auf
die Bestimmung der Raumschwmlle übertragen.
Versuche über die räumliche Unterscheidung von Temperaturreizen
sind nur mit Rücksicht auf die Verbreitung der Kälte- und der Wärmepunkte
von Goldscheider angestellt worden. Sie sind daher nur mit den analogen
Versuchen desselben Beobachters über die Unterscheidung von Druckreizen ver¬
gleichbar. Auch hier wurden bloß die bei möglichst directer Berührung der
Temperaturpunkte mit einer kalten oder warmen Metallspitze erhaltenen Mini-
malwerthe der Raumentfernung bestimmt. Auf diese Weise ergaben sich fol¬
gende Werthe in Millimetern1).
Kältepunkte
Wärmepunkte
Stirn . . .
4—5
Wange . .
... 0,8 . .
. . 3
Kinn . . .
. . . 0,8 . .
. . 4
Bauch und
Rücken. \—2. .
. . 4—6
Hohlhand .
... 0,8 . .
. . 2
Handrücken
. . . 2—3 . .
. . 3—4
Fuß . . .
... 3
. . unbestimmt
Diese Resultate sind offenbar weniger für die räumliche Unterscheidung
der Eindrücke als für die relative Menge der Temperaturpunkte maßgebend. Dem
entspricht es, dass hier die mit dem feinsten intensiven Temperatursinn
begabten Theile (Stirn, Wange, Kinn) auch das feinste extensive Unter¬
scheidungsvermögen zeigen.
Außer der Methode der Minimaländerungen hat für die Bestimmung der
räumlichen Unterscheidung von Tast- und speciell von Druckreizen noch die
Methode der richtigen und falschen Fälle Anwendung gefunden. Wird
nämlich den beiden Eindrücken eine unveränderliche Entfernung gegeben, welche
der Raumschwelle nahe kommt aber etwas unter derselben bleibt, so werden
jene in oft wiederholten Beobachtungen bald richtig als zwei aufgefasst bald
aber in einen Eindruck verschmolzen. Bei der Vergleichung verschiedener
Hautstellen wird nun das Verhältniss —, welches für eine gegebene Distanz ge¬
funden wird, in einem bestimmten Verhältniss zur Localisationsschärfe stehen.
Doch macht diese Maßmethode bei ihrer Anwendung auf extensive Wahrneh¬
mungen besondere Modificationen erforderlich. Denn die Messung bezieht sich
in diesem Fall nicht, wie bei der Intensität der Empfindungen, auf Größen¬
unterschiede sondern auf absolute Größen, nämlich eben auf die Wahr-
1) Goldscheider a. a. 0. S. 70 ff.