Binoculare Gesichtswahrnehmungen'
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wird der Einfluss der Bodenebene bestimmender sein. So erklärt es sich, dass
gerade bei Kurzsichtigen die Neigung der scheinbar verticalen Meridiane sehr
klein ist oder völlig verschwindet. Convergiren die Blicklinien asymmetrisch
von der Primärstellung aus, so wird dadurch der Verticalhoropter nicht ver¬
ändert. Auch der Horizontalhoropter besteht wieder aus zwei Ebenen, von
denen die eine mit der Yisirebene zusammenfällt. Die zweite geht aber nicht
mehr durch den Fixationspunkt, sondern liegt seitlich von demselben. Dem¬
gemäß ist denn auch Totalhoropter der in der Yisirlinie gelegene Kreis, wie
vorhin, und außerdem eine Gerade, die entweder senkrecht zur Yisirebene
steht oder zu derselben geneigt ist, je nach der Lage der scheinbar verticalen
Meridiane, immer aber seitlich vom Fixationspunkte liegt. Hiernach kann
auch der letzteren Linie eine Bedeutung für die Ausmessung der Richtungen
im Sehfeld nicht mehr zukommen: der physiologisch bedeutsame Horopter be¬
schränkt sich also auf den durch die Kreuzungspunkte der Yisirlinien gelegten
Kreis, welcher die Ausmessung ausschließlich jener Linien begünstigt, die in der
Yisirebene liegen. In solchen symmetrischen Convergenzstellungen endlich, in
welchen die Yisirebene von der Primärlage aus gehoben oder gesenkt ist, wird
der Yerticalhoropter wieder eine Kegelfläche, die je nach der Neigung, welche
die verticalen Netzhautmeridiane erfahren haben, entweder unter oder über der
Yisirebene ihre Spitze hat. Der Horizontalhoropter besteht abermals aus zwei
Ebenen, von denen die eine wieder die Medianebene ist, die andere durch
die Kreuzungspunkte der Yisirlinien geht, aber nicht mit der Yisirebene zu¬
sammenfällt, sondern zu derselben geneigt ist. Totalhoropter ist daher eine in
der Medianebene durch den Fixationspunkt gehende Gerade und eine Kreis¬
linie , welche diesmal nicht den Fixationspunkt sondern einen andern Punkt
jener Geraden schneidet. Demnach ist der für das Sehen in Betracht kommende
Theil des Horopters nur die in der Medianebene liegende Gerade. Wie also
in den asymmetrischen Convergenzstellungen von der Primärlage aus nur die
Ausmessung von Linien in der Yisirebene, so ist in den symmetrischen Con¬
vergenzstellungen außerhalb der Primärlage die Ausmessung von Linien in der
Medianebene begünstigt ; allein in den symmetrischen Convergenzstellungen von
der Primärlage aus sind beide zugleich bevorzugt. In diesen Yerhältnissen liegt
ausgedrückt, dass es zwei Hauptrichtungen des Sehens gibt, die den zwei
Hauptrichtungen der Blickbewegung correspondiren. Bei der einen werden vor¬
zugsweise gerade Linien in der Medianebene deutlich aufgefasst: hier wandert,
wenn das Auge bewegt wird, der Blickpunkt innerhalb der Medianebene; bei
festgehaltener symmetrischer Convergent verändert sich also die Lage der Yisir¬
ebene. Mit der letzteren wechselt dann zugleich die Richtung derjenigen Ge¬
raden, deren genaue Auffassung vorzugsweise begünstigt ist. In den Stellungen
unterhalb der Primärlage ist dieselbe so zur Yisirebene geneigt, dass ihr
oberes Ende vom Sehenden abgekehrt ist; in den Stellungen oberhalb der
Primärlage ist dasselbe im allgemeinen dem Sehenden zugekehrt. In der Primär¬
lage selbst steht die begünstigte Medianlinie entweder senkrecht zur Yisirebene,
oder sie ist noch im selben Sinne wie bei den tieferen Lagen geneigt, so dass
erst in einer etwas höheren Stellung die senkrechte Lage eintritt. Diese Rich¬
tungsänderungen der begünstigten Linien hängen vermuthlich wieder damit zu¬
sammen, dass im gewöhnlichen Sehfelde der gesenkte Blick auf die Fußboden¬
ebene fällt, die sich vom Sehenden scheinbar ansteigend zum Horizont erstreckt,
der gehobene Blick dagegen dem Zenith sich nähert, von welchem das Sehfeld