Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Binoculare Gesichtswahrnehmungen' 
167 
wird der Einfluss der Bodenebene bestimmender sein. So erklärt es sich, dass 
gerade bei Kurzsichtigen die Neigung der scheinbar verticalen Meridiane sehr 
klein ist oder völlig verschwindet. Convergiren die Blicklinien asymmetrisch 
von der Primärstellung aus, so wird dadurch der Verticalhoropter nicht ver¬ 
ändert. Auch der Horizontalhoropter besteht wieder aus zwei Ebenen, von 
denen die eine mit der Yisirebene zusammenfällt. Die zweite geht aber nicht 
mehr durch den Fixationspunkt, sondern liegt seitlich von demselben. Dem¬ 
gemäß ist denn auch Totalhoropter der in der Yisirlinie gelegene Kreis, wie 
vorhin, und außerdem eine Gerade, die entweder senkrecht zur Yisirebene 
steht oder zu derselben geneigt ist, je nach der Lage der scheinbar verticalen 
Meridiane, immer aber seitlich vom Fixationspunkte liegt. Hiernach kann 
auch der letzteren Linie eine Bedeutung für die Ausmessung der Richtungen 
im Sehfeld nicht mehr zukommen: der physiologisch bedeutsame Horopter be¬ 
schränkt sich also auf den durch die Kreuzungspunkte der Yisirlinien gelegten 
Kreis, welcher die Ausmessung ausschließlich jener Linien begünstigt, die in der 
Yisirebene liegen. In solchen symmetrischen Convergenzstellungen endlich, in 
welchen die Yisirebene von der Primärlage aus gehoben oder gesenkt ist, wird 
der Yerticalhoropter wieder eine Kegelfläche, die je nach der Neigung, welche 
die verticalen Netzhautmeridiane erfahren haben, entweder unter oder über der 
Yisirebene ihre Spitze hat. Der Horizontalhoropter besteht abermals aus zwei 
Ebenen, von denen die eine wieder die Medianebene ist, die andere durch 
die Kreuzungspunkte der Yisirlinien geht, aber nicht mit der Yisirebene zu¬ 
sammenfällt, sondern zu derselben geneigt ist. Totalhoropter ist daher eine in 
der Medianebene durch den Fixationspunkt gehende Gerade und eine Kreis¬ 
linie , welche diesmal nicht den Fixationspunkt sondern einen andern Punkt 
jener Geraden schneidet. Demnach ist der für das Sehen in Betracht kommende 
Theil des Horopters nur die in der Medianebene liegende Gerade. Wie also 
in den asymmetrischen Convergenzstellungen von der Primärlage aus nur die 
Ausmessung von Linien in der Yisirebene, so ist in den symmetrischen Con¬ 
vergenzstellungen außerhalb der Primärlage die Ausmessung von Linien in der 
Medianebene begünstigt ; allein in den symmetrischen Convergenzstellungen von 
der Primärlage aus sind beide zugleich bevorzugt. In diesen Yerhältnissen liegt 
ausgedrückt, dass es zwei Hauptrichtungen des Sehens gibt, die den zwei 
Hauptrichtungen der Blickbewegung correspondiren. Bei der einen werden vor¬ 
zugsweise gerade Linien in der Medianebene deutlich aufgefasst: hier wandert, 
wenn das Auge bewegt wird, der Blickpunkt innerhalb der Medianebene; bei 
festgehaltener symmetrischer Convergent verändert sich also die Lage der Yisir¬ 
ebene. Mit der letzteren wechselt dann zugleich die Richtung derjenigen Ge¬ 
raden, deren genaue Auffassung vorzugsweise begünstigt ist. In den Stellungen 
unterhalb der Primärlage ist dieselbe so zur Yisirebene geneigt, dass ihr 
oberes Ende vom Sehenden abgekehrt ist; in den Stellungen oberhalb der 
Primärlage ist dasselbe im allgemeinen dem Sehenden zugekehrt. In der Primär¬ 
lage selbst steht die begünstigte Medianlinie entweder senkrecht zur Yisirebene, 
oder sie ist noch im selben Sinne wie bei den tieferen Lagen geneigt, so dass 
erst in einer etwas höheren Stellung die senkrechte Lage eintritt. Diese Rich¬ 
tungsänderungen der begünstigten Linien hängen vermuthlich wieder damit zu¬ 
sammen, dass im gewöhnlichen Sehfelde der gesenkte Blick auf die Fußboden¬ 
ebene fällt, die sich vom Sehenden scheinbar ansteigend zum Horizont erstreckt, 
der gehobene Blick dagegen dem Zenith sich nähert, von welchem das Sehfeld
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.