Localisation der Tastempfindungen.
7
Ebenso wie Druckreize werden auch die Temperaturreize localisirt
und, wenn sie auf zureichend entfernte Hautstellen einwirken, räumlich
unterschieden. Bei der directen Einwirkung auf die früher (I, S. 395) er¬
wähnten Temperaturpunkte ist diese Unterscheidung am feinsten, und für
punktuelle Kältereize ist sie wegen der größeren Verbreitung und Em¬
pfindlichkeit der Kältepunkte feiner als für die Wärmereize.
Mit der vorhin erwähnten Thatsache der Richtungsunterscheidung hängt wohl
die andere zusammen, dass die Raumschwelle bedeutend kleiner gefunden wird,
wenn man die beiden Cirkelspitzen nicht gleichzeitig, sondern successiv auf¬
setzt1). Um zwei gleichzeitige Eindrücke zu sondern, muss man nämlich wahr¬
nehmen, dass zwischen den berührten Punkten ein freier Zwischenraum ge¬
blieben ist. Zwei successive Eindrücke werden aber auch dann noch als Örtlich
verschieden aufgefasst werden können, wenn der zwischen ihnen liegende Raum
nur groß genug ist, dass die Eindrücke nicht in einen einzigen Punkt zusammen¬
zufallen scheinen. Uebrigens zeigen in beiden Fällen die gewonnenen Werthe
durchaus die nämlichen Unterschiede an den verschiedenen Hautstellen.
Wir lassen einen Auszug aus der von Weber nach seinen Versuchen mit-
getheilten Tabelle hier folgen. Die Zahlen bezeichnen die Distanzen zweier
Cirkelspitzen, die eben unterschieden wurden, in Millimetern2).
Zungenspitze...................4
Volarseite des letzten Fingerglieds...........2
Rother Rand der Lippen..............5
Volarseite des zweiten, Dorsalseite des dritten Fingerglieds. . 7
Nicht rother Theil der Lippen, Metacarpus des Daumens . . 9
Wange, Plantarseite des letzten Glieds der großen Zehe. . . 4 4
Rückenseite des ersten Fingerglieds, Plantarseite des Mittelfu߬
knochens der großen Zehe............4 6
Haut am hinteren Theil des Jochbeins, Stirn.......23
Handrücken. ..................34
Kniescheibe und Umgegend.............36
Kreuzbein, oberer und unterer Theil des Unterschenkels. . . 40
Fußrücken, Nacken, Lenden- und untere Brustgegend ... 54
Mitte des Rückens, Mitte des Oberarms und Oberschenkels. . 68
Bei der Anwendung feinerer Spitzen zur Berührung, namentlich aber bei
der Auswahl nicht der dur chschn ittli ch en Werthe, sondern der Minimal¬
werth e aus einer größeren Zahl von Versuchen, erhält man sehr viel kleinere
Distanzen. So fand Goldscheider folgende Minimalwerthe, ebenfalls in Milli¬
metern 3).
Oberfläche des Nagelglieds
0,4
Stirn.........
0,5—4
Daumenballen.....
0,2—0,3
Beugefläche des Vorderarms .
0,5
Handteller......
0,4—0,5
Oberarm........
0,6—0,8
Handrücken......
0,3—0,6
Unterschenkel......
0,8—2
Wange.......
0,4—0,6
Oberschenkel ... . .
3
Kinn und Nase ....
0,3
Rücken ........
4—6
4) E. H. Weber, Prolectio
VIII, p. 8.
Czermak, Wiener Sitzungsber.,
XVII, 4 855
S. 582.
2) E. H. Weber, Annotationes anatom., VII, p. 4 sq. Art. Tastsinn, S. 539. Von
Weber sind die Resultate in Pariser Linien mitgetheilt; sie sind oben in Millimeter
umgerechnet und, wie bei Weber, abgerundet.
3) Goldscheider, Archiv f. Physiologie, 4 885, S. 84 ff.