Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Localisation der Tastempfindungen. 
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2. Localisation der Tastempfindungen. 
Die Druck- und Temperaturempfindungen unserer Haut beziehen wir 
auf den Ort, welcher vom Reize getroffen wurde, ebenso die dem Tast¬ 
sinn verwandten Empfindungen der inneren Theile. Die Genauigkeit dieser 
Localisation ist außerordentlich verschieden. Sie ist am unvollkommensten 
bei den Gemeingefühlen, und wahrscheinlich wird hier die Ortsvorstellung 
erst durch die zeitweise Verbindung mit Tastempfindungen eine etwas 
bestimmtere. Einer messenden Vergleichung sind jedoch in dieser Be¬ 
ziehung nur die verschiedenen Provinzen der Hautoberfläche zugänglich. 
Die naheliegendste Methode, um hier die Genauigkeit der örtlichen Auf¬ 
fassung zu prüfen, besteht darin, dass man eine Hautstelle berührt und dann 
aus der bloßen Tastempfindung, also unter Ausschluss des Gesichtssinns, 
den Ort der Berührung bestimmen lässt1). Hierbei wird im allgemeinen 
ein Fehler begangen, der sich, sobald man eine größere Zahl von Beobach¬ 
tungen verwendet, bei jeder Hautstelle einem constanten Werthe nähert, 
für die verschiedenen Stellen aber außerordentlich wechselt. Die Feinheit 
der Localisation ist der Größe jenes Fehlers umgekehrt proportional. Dieses 
Verfahren entspricht demnach der Methode der mittleren Fehler bei der 
Intensitätsmessung2). Im vorliegenden Fall führt aber dies unmittelbar 
zu einem kürzeren Verfahren, welches der Methode der Minimaländerungen 
analog ist. Will man nämlich an sich selbst die Stelle der Haut bestim¬ 
men, an der eine Berührung gefühlt wurde, so kann dies nur durch eigene 
Betastung geschehen. Dadurch entsteht eine zweite Tastempfindung, und 
unwillkürlich wird man nun so lange den berührenden Finger auf der Haut 
verschieben, bis die zweite der ersten Empfindung gleich geworden ist. 
Es lie^t nahe, die Feststellung der Localisationsschärfe direct auf diese 
Vergleichung zu gründen, also zwei Eindrücke gleichzeitig auf zwei be¬ 
nachbarte Stellen wirken zu lassen und dann diejenige Grenzdistanz auf¬ 
zusuchen, bei welcher die Eindrücke eben noch als räumlich gesonderte 
aufgefasst werden. Letzteres Verfahren ist es, nach welchem zuerst E. H. 
Weber die Localisation der Tastempfindungen untersucht hat3). Ueberträgt 
man die bei der Empfiodungsmessung gebrauchten Ausdrücke auch auf 
die in der Raum- oder Zeitform zu Vorstellungen geordneten Empfindun¬ 
gen, so kann man allgemein jenen Grenzwerth, der die kleinste Raum- 
1) E. H. Weber, Sitzungsberichte der kgl. sächs. Ges. der Wissensch. 1852, S. 87. 
Eine größere Zahl von Versuchen haben nach diesem Verfahren unter Vierordt’s Lei¬ 
tung Kottenkamp und Ullrich ausgeführt. (Zeitschr. f. Biologie, IV, S. 45 ff.l 
2) Vgl. I, S. 345. 
3) Annotationes anatomicae et physiologicae. Prol. VI—XI, 1829—31. Art. Tastsinn 
und Gemeingefühl, Wagner’s Handwörterbuch der Physiol. Ill, 2. S. 524 ff.
	        
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