Einfluss der Augenbewegungen auf die Ausmessung des Sehfeldes.
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gleich es stille steht, für bewegt hält. Wenn aber ein normales Auge,
welches z. B. nach rechts bewegt wird, dabei immer dieselben Gegen¬
stände sieht, so müssen sich diese ebenfalls nach rechts bewegen; das
gelähmte Auge objectivirt also seine Bewegungstendenz, und da es selbst
stille steht, so scheinen sich ihm die Gegenstände zu drehen. 1st die
Lähmung des Rectus externus eine unvollständige, so kann das Auge zwar
einen nach außen liegenden Gegenstand fixiren, aber es ist dazu eine
größere Innervationsanstrengung erforderlich. Demgemäß wird denn auch
der Gegenstand weiter nach außen verlegt, als er sich in der That be¬
findet. Soll der Patient nach demselben greifen, so greift er außen daran
vorbei. Diese Erscheinungen beweisen, dass unsere Auffassung der Lage
eines Gegenstandes im Raum wesentlich durch die Innervation s-
e mp fin dun g bestimmt ward, welche jeden Antrieb zur Bewegung
begleitet ').
Aus demselben Princip erklären sich zahlreiche Erscheinungen im Ge¬
biet des normalen Sehens, die man zu den normalen Sinnestäu¬
schungen rechnen kann; viele derselben sind speciell als geome¬
trisch-optische Täuschungen bezeichnet wmrden. Alle hier einschla¬
genden Erfahrungen lassen sich in zwei Classen bringen. Die erste umfasst
Abweichungen in der Ausmessung geradliniger Distanzen, welche von
der Richtung der letzteren abhängig sind; in die zweite gehören Täu¬
schungen des Augenmaßes, welche von der Art der Ausfüllung des Seh¬
feldes herrühren.
Wir können Distanzen im Gesichtsfelde nur dann mit einiger Genauig¬
keit vergleichen, wenn sie gleiche Richtung haben. Wenn w7ir z. B. einer
gegebenen Geraden eine zweite gleich machen wollen, so müssen wir der¬
selben die nämliche Richtung geben. Auch dann finden noch kleine Un¬
genauigkeiten statt, w7elche sich um so mehr vermindern, je mehr wir
mit dem bewegten Auge die Distanzen vergleichend abmessen. Dagegen
wird bei Ausschluss der Bewegung, z. B. bei momentaner Beleuchtung
durch den elektrischen Funken, die Größenschätzung sehr viel unsicherer.
Auch bei den mittelst der Bewegung ausgeführten Beobachtungen sind
übrigens außerdem noch mehrere Versuchsbedingungen von wesentlichem
Einflüsse. So ergeben sich bei der Vergleichung zw7eier Distanzen, die
sich in ungleicher Entfernung vom Auge befinden, gewisse Fehler, die
von der verschiedenen Größe der beiden Netzhautbilder herrühren. Bei
dieser Vergleichung bringt man nämlich im allgemeinen die Entfernung
vom Auge in Rechnung: man sieht also zwei gleich große Distanzen an-
1 ; Vgl. hierzu Cip. IX, I, S. 401 ff.