Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

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Gesichtsvorstellungen. 
einer vom Blickpunkt beschriebenen Curve entsprechen. Nennen wir den¬ 
jenigen Blickpunkt, welcher der Primärstellung der Gesichtslinie ange¬ 
hört, den Hauptblickpunkt, so erfolgen von der Primärstellung aus alle 
Drehungen so, dass der Blickpunkt größte Kreise beschreibt, die sich im 
Hauptblickpunkt durchschneiden. Stellen wir uns das Blickfeld als eine 
ganze Kugel vor, so schneiden sich aber diese Kreise, welche man die 
Meridiankreise des Blickfeldes nennen kann, noch in einem zweiten 
dem Hauptblickpunkt gerade gegenüber liegenden Punkt der Kugelober¬ 
fläche, dem Occipitalpunkt. Der Hauptblickpunkt und Occipitalpunkt 
sind somit entgegengesetzte Endpunkte eines Durchmessers. Die Fig. 152 
zeigt diese Eintheilung des Blickfeldes in perspectivischer Ansicht. A ist 
das Auge, H der Hauptblickpunkt, 0 der Occipitalpunkt, die Linie HO 
liegt, gemäß der Primärstellung, etwas unter der Horizontalebene; durch 
H und 0 sind die Meridiankreise gezogen1). Denken wir die letztem vom 
Drehpunkt, als dem Mittelpunkt des kugelförmigen Blickfeldes, aus auf 
eine Ebene projicirt, welche auf der Primärstellung der Gesichtslinie senk¬ 
recht steht, so bilden sie sich hier als gerade Linien ab, welche sich im 
Fixationspunkte durchschneiden; die horizontale dieser Linien entspricht 
dem Netzhauthorizont. Wir wollen diese Projection das ebene Blick¬ 
feld und die geraden Linien, welche in ihm als Projectionen der Meridian¬ 
kreise vom Hauptblickpunkte auslaufen, die Richtlinien nennen. 
Wenn sich nun das Auge von der Primärstellung aus dreht, so muss 
sich die Gesichtslinie in Meridiankreisen oder auf dem ebenen Blickfeld 
in Richtlinien bewegen. Hierbei bleibt nach dem LiSTixuschen Gesetz das 
gegenseitige Lageverhältniss der Meridiankreise im kugelförmigen Blickfeld 
ungeändert. Wenn der Blickpunkt von H zuerst auf a und dann auf b 
(Fig. 152) übergeht, so kommt beim zweiten Act dieser Bewegung der 
Bogen ab genau auf dieselbe Stelle der Netzhaut zu liegen wie vorher 
der Bogen Ha. Denken wir uns das in Fig. 152 dargestellte, der Pri¬ 
märlage entsprechende Blickfeld fixirt und dann das Sehfeld des ruhenden 
Auges in ganz derselben Weise in Meridiankreise getheilt, so dass in der 
Primärstellung Blickfeld und Sehfeld zusammenfallen, so können wir uns 
vorstellen, bei den Bewegungen verschiebe sich das Sehfeld gegen das 
Blickfeld wie eine Kugelschale gegen eine ihr concentrische von nahezu 
gleichem Radius. Es verschiebt sich dann bei allen Drehungen von der 
1) Um die Lage irgend eines Punktes im Blickfeld oder Sehfeld genau zu be¬ 
stimmen, kann man dasselbe außer in Meridiankreise noch in Breitekreise ein- 
theilen, welche parallel einem die Axe H 0 halbirenden Aequatorialkreise verlaufen. 
Es erfolgt dann die Lagebestimmung ganz nach Analogie der geographischen Orts¬ 
bestimmung. Aber für die Bewegung des Auges haben nur die Meridiankreise eine 
Bedeutung, als die Wege, die nach dem LisTiNG’schen Gesetz der Blickpunkt von der 
Primärstellung aus einschlägt.
	        
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