Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

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Allgemeine Uebersicht der Sinnesvorstellungen. 
Unter den letzteren gehen die meisten von außer uns befindlichen Gegen¬ 
ständen aus. Durch sie entstehen die objectiven Sinneswahrnehmun- 
çen, aus denen sich unsere sinnliche Weltanschauung zusammensetzt. 
Auf der andern Seite vermitteln jene Organempfindungen, welche sich an 
der Bildung des Gemeingefühls betheiligen, Vorstellungen von unserm 
subjectiven Befinden. Doch bleiben die letzteren im allgemeinen auf 
einer unentwickelteren Stufe, auf der sie sich von den Empfindungen, 
die ihnen zu Grunde liegen, wenig unterscheiden. Die Einbildungsvorstel¬ 
lungen endlich beruhen auf Beizungsvorgängen innerhalb der centralen 
Sinnesflächen. Zu ihnen gehören die Hallucinationen, die Phantasmen des 
Traumes und die gewöhnlichen Erinnerungsbilder. Ihre Unterscheidung 
von den äußeren Sinneswahrnehmungen geschieht durch Kennzeichen, die 
erst dem entwickelten Selbstbewusstsein angehören. Noch das Kind und 
der wilde Naturmensch vermengen nicht selten ihre Träume mit ihren 
wachen Erlebnissen. Für den psychologischen Standpunkt besteht datier 
kein Grund, Sinneswahrnehmungen und Erinnerungsvorstellungen als 
wesentlich verschiedene Arten der Vorstellung anzusehen1). 
Die Vorstellung ist im Vergleich mit der Empfindung ein Zusammen¬ 
gesetztes. Sie enthält Empfindungen als ihre Bestandteile. Man hat darum 
auch die Empfindungen einfache Vorstellungen genannt2). Im all¬ 
gemeinen kann die Verbindung der Empfindungen zu Sinnesvorstellungen 
in einer doppelten Weise vor sich gehen: erstens in der Form einer zeit¬ 
lichen Aneinanderreihung, und zweitens als eine räumliche Ordnung. 
Alle unsere Vorstellungen nehmen eine Stelle in der Zeit ein; aber für 
eine Classe derselben gewinnt die Zeitform eine überwiegende Bedeutung, 
für die Gehörsvorstellungen. Das Gehör erhält daher vorzugsweise 
die Bedeutung eines zeiterweckenden Sinnes. Wegen dieser Rich¬ 
tung auf die Zeitanschauung tritt hier das Verhältnis der Vorstellung zu 
ihrem Gegenstand, welches stets eine räumliche Ordnung der Empfindungen 
voraussetzt, mehr in den Hintergrund, obgleich es keineswegs fehlt, indem 
1) Aus diesem Grunde scheint es mir auch wenig zweckmäßig, wenn man, wie 
dies noch häufig geschieht, den Namen Vorstellungen auf die Erinnerungsbilder 
beschränkt. 
2) So namentlich Wolff (Psychologia empir. Sect. II. cap. I) im Anschluss an den 
von Leibniz eingeführten Begriff des vorstellenden Wesens der Seele, und in neuerer 
2eit Herbart mit seiner Schule. Wie B. Erdmann (Vierteljahrsschr. f. wiss. Phil. X, 
S. 310) zu der Meinung kommt, durch meine Definition der Vorstellung, als eines aus 
einer Mehrheit einfacher Empfindungen zusammengesetzten Productes, würden die 
reproducirten Vorstellungen ausgeschlossen, ist mir unerfindlich. Erdmann scheint 
danach unter Empfindungen nur die Ergebnisse unmittelbarer äußerer Sinneseindrücke 
zu verstehen. Dies ist aber çin Sprachgebrauch, der mit dem meinigen nicht über¬ 
einstimmt (vgl. I, S. 292), und den ich aus demselben Grunde verwerfe, aus welchem 
mir die Beschränkung des Wortes »Vorstellung« auf die Erinnerungsbilder unzweck¬ 
mäßig scheint.
	        
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