Einfluss der Augenbewegungen auf die Ausmessung des Sehfeldes.
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3. Einfluss der Augenbewegungen auf die Ausmessung
des Sehfeldes.
Es wurde oben (S. 93) bemerkt, dass für das ruhende Auge keine
zureichenden Motive existiren, vermöge deren es sein Sehfeld als eine
Fläche von bestimmter Form wahrnehmen müsste. Trotzdem pflegt das¬
selbe eine bestimmte Form zu besitzen : es erscheint uns, sobald speciellere
Gründe fehlen, welche auf eine andere Ordnung seiner Punkte hinweisen,
als innere Oberfläche einer Kugelschale. An einer solchen scheinen uns
daher die Gestirne vertheilt zu sein, und der Himmel selbst erscheint
unserm Auge noch heute als das, wofür kindlichere Zeiten ihn wirklich
hielten, als ein kugelförmiges Gewölbe. In der unter dem Horizont ge¬
legenen Hälfte des Sehfeldes hört diese Kugelform auf, weil hier durch
die Bodenebene und die auf ihr befindlichen Gegenstände andere und im
ganzen wechselndere Bedingungen gegeben sind. Der naheliegende Grund
jener Anschauung ist aber die Bewegung des Auges. Bei dieser beschreibt
der Fixationspunkt fortwährend größte Kreise, die einer Hohlkugel fläche
angehören. Als Mittelpunkt des kugelförmigen Sehfeldes, das wir beim
Mangel sonstiger Motive erblicken, ist daher der Drehpunkt des Auges zu
betrachten. Da nun auch das ruhende Auge sein Sehfeld kugelförmig
sieht, so liegt eigentlich hierin schon ein Grund für die Annahme, dass
die ursprünglichsten Baumvorstellungen unter dem Einfluss der Bewegung
entstanden sind. Es ließe sich jedoch dem entgegenhalten, möglicher¬
weise besitze die Netzhaut eine ihr innewohnende Energie, ihre Bilder
auf ein kugelförmiges Sehfeld zu beziehen. Vielleicht, könnte man denken,
weil sie selbst kugelförmig gekrümmt ist, obgleich sich freilich Gründe
für einen solchen Zusammenhang nicht angeben lassen. Hier tritt nun
aber eine Reihe von Beobachtungen entscheidend ein, welche zeigen, dass
das Auge nicht nur im allgemeinen seine Netzhautbilder auf eine Fläche
im äußern Raum verlegt, die der Form seiner Bewegung entspricht, son¬
dern dass auch die einzelne Anordnung der Punkte auf dieser Fläche ganz
und gar durch die Bewegungsgesetze des Auges bestimmt ist.
Nennen wir die Fläche, auf welcher der Fixations- oder Blickpunkt
bei seinen Bewegungen hin- und hergeht, das Blickfeld, so können wir
die oben besprochene allgemeine Erfahrung in den Satz zusammenfassen:
das Sehfeld des bewegten sowohl wie des ruhenden Auges
hat im allgemeinen die nämliche Form wie das Blickfeld. Um
nun weiterhin den Einfluss der Bewegung auf die Anordnung der Punkte
im Sehfelde zu ermitteln, denken wir uns am zweckmäßigsten die Verände¬
rungen, die am Auge vor sich gehen, vollständig in das Blickfeld hinüber¬
getragen. Es wird dann im allgemeinen jede Bewegung der Blicklinie