Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Bewegungen des Auges. 
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Verkeilung der Muskelkräfte bestimmt (S. 96 f.). Eine gegebene Bewegung 
wird mit möglichst geringem Aufwand von Kraft geschehen, je mehr dabei 
überflüssige Nebenwirkungen vermieden sind. Solche würden aber statt¬ 
finden, wenn das Auge stärkere Rollungen um die Gesichtslinie erführe. 
Das LismG’sche Gesetz, welches solche ausschließt, hat wahrscheinlich 
hierin seine mechanische Bedeutung. Noch entschiedener spricht sich diese 
Ursache der Bewegungsgesetze in dem Princip der constanten Orientirung 
aus. Könnte das Auge aus einer ersten in eine zweite Stellung auf ver¬ 
schiedenen Wegen gleich ungehindert übergehen, so wäre nicht abzusehen, 
warum nicht in der That die Bewegung auf verschiedene Art sollte ge¬ 
schehen können. Wenn eine Bewegungsform ausschließlich gewählt wird, 
so muss diese durch die mechanischen Bedingungen bevorzugt sein1). Unser 
Auge verhält sich mit Rücksicht auf die Entstehung dieses Princips der 
einfachsten Innervation ohne Zweifel wie alle andern Bewegungs¬ 
werkzeuge. Uebung und Gewohnheit werden gewiss bei ihm von ent¬ 
scheidender Bedeutung sein. Darum haben vor allem die Bedürfnisse 
des Sehens in den Gesetzen der Augenbewegung ihren Ausdruck ge¬ 
funden; aber der Einfluss dieser Bedürfnisse wird gerade darin sich äußern 
müssen, dass er auf die mechanischen Bedingungen der Bewegung bestim¬ 
mend einwirkte. Deshalb sind in der individuellen Ausbildung jedenfalls 
die mechanischen Verhältnisse die ursprünglicheren. Wie das Auge 
des Neugeborenen, schon bevor das Sehorgan seine Function beginnt, zur 
Erzeugung optischer Bilder zweckmäßig construirt ist, so besitzt es auch 
einen vollkommen ausgebildeten Bewegungsmechanismus. Von der indi¬ 
viduellen Entwicklung werden wir daher mit größerer Wahrscheinlichkeit 
sagen dürfen, dass sich das Sehen unter dem Einfluss der mechanischen 
Bew7egungsgesetze des Auges gebildet habe, als umgekehrt. Dies schließt 
aber allerdings nicht aus, dass in einer weiter zurückreichenden generellen 
Entwicklung umgekehrt die Bedürfnisse des Sehens auf die Organisation, 
wie des Auges überhaupt, so auch seiner Bewegungswerkzenge eingewdrkt 
haben2). 
Die drei genannten Gesetze, das der einfachsten Innervation, der 
constanten Orientirung und der bevorzugten Primärstellung, sind endlich, 
wie nicht übersehen werden darf, beherrscht von centralen Bedingungen. 
Diese sind es, die der Blick- oder Gesichtslinie als derjenigen Linie, 
die den fixirten Punkt mit der Stelle des deutlichsten Sehens verbindet, 
bei allen Bewegungen des Auges die herrschende Rolle anweisen. Jede 
Augenbewegung ist zunächst eine Bewegung der Blicklinie. Als solche 
1) Wundt, Arch. f. Ophthalm., VIII, 2, S. 1. Lehrb. der Physiol., 4. Aufl. S. 684. 
2) Siehe unten Nr. 8.
	        
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