Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Bewegungen des Auges. 
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man die andern in Fig. 150 angegebenen Drehungen des Nachbildes. Neben¬ 
bei bemerkt folgt aus diesen Beobachtungen, dass das Netzhautbild durchaus 
nicht immer Gesichtsvorstellungen erzeugt, die mit seiner eigenen Form 
übereinstimmen. Auf unserer Netzheiut existirt in den beschriebenen Ver¬ 
suchen das Nachbild zweifellos als ein rechtwinkliges Kreuz; trotzdem 
sehen wir es nicht immer rechtwinklig, sondern seine Form ist ganz und 
gar von der Vorstellung abhängig, die twir von der Lage der Ebene im 
äußern Raum, auf welcher das Bild entworfen wird, besitzen1). Auf diese 
Seite der Erscheinung werden wir später zurückkommen. 
Wenn das Auge nicht von der Primärstellung, sondern von irgend einer 
andern, einer sogenannten S ec un dar s tel lung aus sich bewegt, so behält es 
im allgemeinen seine constante Orientirung nicht bei: ein horizontales oder 
verticales Nachbild zeigt nun eine wirkliche Neigung gegen seine ursprüngliche 
Richtung, welche davon herrührt, dass, während die Gesichtslinie aus einer 
ersten in eine zweite Lage übergegangen ist, zugleich das ganze Auge eine 
Rollung um die Gesichtslinie erfahren hat. Man kann sich hiervon leicht über¬ 
zeugen, wenn man in dem vorhin beschriebenen Versuch bei der Erzeugung des 
Nachbildes den Kopf vor- oder rückwärts beugt, so dass sich die Gesichtslinie 
nicht in der Primärstellung befindet, die Wand aber, wie früher, zur Gesichts¬ 
linie annähernd senkrecht ist. Verfolgt man nun mit dem Blick die auf dem 
Carton gezogenen Linien, so zeigt das Nachbild Drehungen gegen dieselben, 
die aber für den verticalen und horizontalen Schenkel des Kreuzes von gleicher 
Grüße und Richtung, nicht, wie bei den von der Projection herrührenden Ver¬ 
schiebungen, ungleich sind. Die auf diese Weise entstehenden Raddrehungen 
sind übrigens sehr klein, so lange das Auge nicht in extreme Stellungen über¬ 
geht, welche normaler Weise, wo alle umfangreichen Drehungen durch den 
Kopf mitbesorgt werden, kaum Vorkommen ; ihrer Größe nach stimmen sie zu 
der Voraussetzung, dass auch die Drehungen von Secundärstellungen aus um 
Axen erfolgen, welche in der vorhin bezeichneten Axenebene, d. h. in derjenigen 
Ebene, die auf der Primärstellung der Gesichtslinie im Drehpunkte senkrecht 
steht, gelegen sind2). Es ist an und für sich klar, dass, wenn alle Drehungs- 
axen in dieser Ebene liegen, bei den Bewegungen von Secundärstellungen aus 
Rollungen um die Gesichtslinie eintreten müssen, weil eben in diesem Fall die 
Drehungsaxe nicht senkrecht stehen kann auf der Ebene, in welcher sich die 
Gesichtslinie bewegt, einen einzigen Fall ausgenommen : wenn nämlich die 
Ebene der Drehung den durch die Primärstellung gelegten Meridiankreisen an¬ 
gehört oder, mit andern Worten, wenn die Gesichtslinie eine solche Bewegung 
ausführt, die man sich ohne Wechsel der Drehungsaxe von der Primärstellung 
1) Dass es hierbei nicht auf die wirkliche Lage einer solchen Ebene ankommt, 
sondern auf diejenige, die wir derselben in.unserer Vorstellung anweisen, folgt einfach 
daraus, dass wir überhaupt von ihrer wirklichen Lage nur durch unsere Vorstellung 
etwas wissen. Man kann sich hiervon aber auch experimentell überzeugen, indem man 
auf der Projectionsebene eine perspectivische Zeichnung anbringt, durch welche eine 
falsche Vorstellung ihrer Lage erweckt wird. Man projicirt dann gemäß dieser fal¬ 
schen Vorstellung. Einen hierher gehörigen Versuch siehe bei Volkmann, Physiologische 
Untersuchungen im Gebiete der Optik. Leipzig tS63, I, S. -156. 
2) Helmholtz, Physiol. Optik, S. 467. Archiv f. Ophthalmol., IX, 2. S. 2 06.
	        
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