Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 2. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (2)

Dritter Abschnitt. 
Von der Bildung der Sinnes Vorstellungen. 
Elftes Capitel. 
Allgemeine Uebersicht der Sinnesvorstellungen. Tast- und 
Bewegiingsyorstellungen. 
1. Begriff und Hauptformen der Vorstellungen. 
Unter einer Vor Stellung verstehen wir nach allgemeinem Sprachge¬ 
brauch das in unserm Bewusstsein erzeugte Bild eines Gegenstandes 
oder eines Vorgangs der Außenwelt. Die Welt, so weit wir sie 
kennen, besteht nur aus unsern Vorstellungen. Diese aber werden von 
dem natürlichen Bewusstsein den Gegenständen, auf die wir sie beziehen, 
identisch gesetzt, und erst die wissenschaftliche Reflexion erhebt die Frage, 
wie das in der Vorstellung gelieferte Bild und sein Gegenstand sich zu 
einander verhalten. 
Der Gegenstand einer Vorstellung kann ein wirklicher oder ein bloß 
gedachter sein. Vorstellungen, welche sich auf einen wirklichen Gegen¬ 
stand beziehen, mag dieser nun außer uns existiren oder zu unserm 
eigenen Körper gehören, nennen wir Wahrnehmungen oder An¬ 
schauungen. Bei dem Ausdruck Wahrnehmung haben wir die Auf¬ 
fassung des Gegenstandes nach seiner wirklichen Beschaffenheit im Auge, 
bei der Anschauung denken wir vorzugsweise an die dabei vorhandene 
Thätigkeit unseres Bewusstseins. Dort legen wir auf die objective, hier 
auf die subjective Seite des Vorstellens das Hauptgewicht. Ist der Ge¬ 
genstand der Vorstellung kein wirklicher sondern ein bloß gedachter, so 
nennen wir diese Erinnerungsbild oder Einbildungsvorstellung. 
Die Anschauungsvorstellungen oder Wahrnehmungen haben stets ihren 
Grund in der Erregung unserer Sinnesorgane durch peripherische Reize. 
Wundt, Grundzüge. II. 3. Aufl. 1
	        
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