Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

Entstehung des sinnlichen Gefühls. 
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Vordergrund drängt. Der Schmerz aller Organe ist daher ein Bestandteil 
des Gemeingefühls1). 
Alle jene Gefühle, welche zum Gemeingefühl vereinigt auf misera 
eigenen Zustand bezogen werden, bilden in dem Selbstbewusstsein einen 
mehr oder minder deutlichen Hintergrund der Stimmung. Von ihnen hängt 
es hauptsächlich ab. ob Spannkraft, ruhige Sicherheit, oder ob Schlaffheit, 
unruhige Beweglichkeit in unserm geistigen Sein vorherrschen, und die 
durchschnittliche Bestimmtheit jener Gefühle bildet einen Hauptfactor für 
die Disposition der Temperamente. Man hat wegen dieser innigen Be¬ 
ziehung der Gemeingefühle zu unserm subjectiven Sein und Befinden die 
sinnlichen Gefühle überhaupt als die subjective Seite der Empfindungen 
aufsefasst und sie so der Intensität und Qualität als den objectiven 
Bestimmungen derselben gegenübergestellt2 3). Dieser Gegensatz kann aber 
unmöglich ein ursprünglicher sein, da das Selbstbewusstsein, welches erst 
jene Unterscheidung vollzieht, aller psychologischen Beobachtung zufolge 
ein gewordenes ist. Man müsste also annehmen, das Gefühl sei ebenfalls 
nichts ursprüngliches, sondern mit dem Selbstbewusstsein entstanden. 
Doch dem widerstreitet einerseits die Thatsache, dass Mensch und Thier 
in noch unentwickelten Zuständen unverkennbare lebhafte Gefühlsäuße¬ 
rungen wahrnehmen lassen, anderseits die Beobachtung, dass die Entwick¬ 
lung des Selbstbewusstseins sogar wesentlich durch sinnliche Gefühle be¬ 
stimmt und gefördert wird1). 
4. Entstehung des sinnlichen Gefühls. 
Während den beiden zuvor betrachteten Bestandtheilen der Empfin¬ 
dung, der Stärke und der qualitativen Beschaffenheit, bestimmte Eigen¬ 
schaften des physischen Beizungsvorganges parallel gehen, lässt sich lür 
den Gefühlston eine ähnliche objective Grundlage nicht unmittelbar auf¬ 
finden. Die Folgerung liegt daher nahe, dass das Gefühl ein mehr secun- 
därer Bestandtheil der Empfindung sei, der erst durch irgend welche 
Wirkungen entstehe, die den Empfindungen vermöge ihrer qualitativen und 
intensiven Beschaffenheit zukommen. 
Diese Folgerung hat vor allem in zwei Anschauungen über das Wesen 
der Gefühle ihren Ausdruck gefunden, welche zugleich die hauptsächlich¬ 
sten Gegensätze andeuten, zwischen denen sich die Theorie der Gefühle 
bewegt hat. Die eine dieser Anschauungen betrachtet die Gefühle als 
1) Vgl. hierzu Cap. IX, S. 4 09. 
2) George, Lehrbuch der Psychologie. Berlin 1854, S. 70. 
3) Siehe Abschnitt IV, Cap. XV.
	        
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