Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

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Gefühlston der Empfindung. 
herab, wenn das Bewusstsein des contrastirenden Zustandes undeutlicher 
wird. Daher das so viel frischere Lustgefühl, das der Reconvalescent durch 
seine normalen Gemeinempfindungen erhält, im Vergleich mit dem dauernd 
Gesunden, welchem erst allerlei kleine Schmerzen die Lust des Daseins 
ins Gedächtniss rufen müssen. Daher das eminente Lustgefühl, das an 
die verschiedensten Formen des Spiels, vom einfachsten Hazardspiel der 
Würfel bis hinauf zur dramatischen Kunstform gebunden ist1). Denn in 
dem Spiel wechseln am schnellsten Hoffnung und Freude, Schmerz und 
Befriedigung. 
Ferner wird der Gefühlston, welcher der einfachen Empfindung ver¬ 
möge ihrer intensiven und qualitativen Beschaffenheit innewohnt, beein¬ 
flusst durch ihre Association mit geläufigen Vorstellungen, 
welche die nämlichen oder ähnliche Empfindungen enthalten. Schwerlich 
wird der Gefühlston einer Empfindung jemals ausschließlich durch Asso¬ 
ciation bestimmt. Um so häufiger wirkt dieselbe auf die in der reinen 
Empfindung gelegene Stimmung verstärkend und unter Umständen wohl 
auch modificirend ein. Es kann daher außerordentlich schwer werden 
zu entscheiden, inwieweit ein Gefühl ursprünglich oder erst abgeleitet, 
nämlich durch Association hervorgerufen sei. Denn als abgeleitete Stim¬ 
mungen sind die aus der Association hervorgehenden immer anzusehen. 
Die Association beruht auf der Verknüpfung der gegebenen Empfindungen 
mit ähnlichen, die als Bestandteile gewisser Vorstellungen geläufig sind. 
Durch Association z. B. erinnert die grüne Farbe an Waldes- und Wiesen¬ 
grün, oder mahnt Glockengeläute und Orgelton an Kirchgang und Gottes¬ 
dienst. Durch die Association heftet sich dann aber der reinen Empfindung 
etwas von dem Gefühlston an, welcher jene zusammengesetzten Vorstel¬ 
lungen begleitet. Wegen dieser Gebundenheit an die Vorstellung sind es 
auch vorzugsweise die höheren, zu einem reichen Vorstellungsleben ent¬ 
wickelten Sinne, bei denen die Associationen für den Gefühlston bestim¬ 
mend werden. Es ist nun keinem Zweifel unterworfen, dass in dieser 
Weise die meisten unserer sinnlichen Gefühle, namentlich diejenigen, welche 
Elemente ästhetischer Wirkung bilden, außerordentlich durch Associationen 
verstärkt werden. Wie Orgel- und Glockenklang an religiöse Feier, so 
mahnt uns die schmetternde Trompete an Kriegs- und Waffenlärm, der 
Schall des Hifthorns an Jagdgetümmel und Waldesfrische, die tiefen, lang¬ 
samen Klänge eines Trauermarsches wecken die Vorstellung eines Leichen¬ 
zuges. Schwarz ist fast bei allen Völkern die Farbe, in die sich der Leid¬ 
tragende hüllt, in Purpur kleidet sich die königliche Pracht. Diese Asso¬ 
ciationen müssen daher an und für sich schon die Stimmungen ernster 
1) Vgl. Kant’s Anthropologie, Werke, VII, 2. S. 146.
	        
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