Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

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Gefühlston der Empfindung. 
bewegen, so dass selbst contrastirende Gefühle nicht als Vermittelungen sondern 
immer nur an einem Ende eines Gegensatzes zu finden sind1), bilden bei den 
Lichtempfindungen nur das Helle und Dunkle ähnlich gegenüberstehende Pole, 
welche dem Gegensatz der hohen und tiefen Töne auch insofern analog sind, 
als sie ungefähr ähnliche Stimmungen, das Ernste und Heitere, ausdrücken. 
Für das Gefühl entsprechen also die Gegensätze der Intensität des farblosen 
Lichtes dem Gegensätze der Tonhöhen; dagegen werden Stimmungen, die den 
Klangfarben einigermaßen analog sind, vielmehr durch die einfachen Farben 
ausgedrückt, wie dies die Namen Klangfarbe und Farbenton im Grunde 
schon andeuten. Auch darin besteht eine gewisse Analogie, dass man sich die 
Gefühlstöne der Klangfarben wie die der Farben und ihrer Sättigungsgrade in 
einer Ebene dargestellt denken kann, in deren Mitte irgendwo ein Indifferenz¬ 
punkt gleichgültiger oder neutraler Stimmung liegt, während sich nach der 
Peripherie hin die größten Gegensätze des Gefühls befinden. Aber die ein¬ 
fachen Töne bilden hier nicht, wie das Hell und Dunkel, eine neue Dimension, 
die erst zur Klangfläche hinzutritt, sondern die Hauptaxe der letzteren. Denn 
der einfache Ton ist jener Klang, der durch die größte Tiefe begleitender 
Obertöne sich auszeichnet, ein Grenzfall, der erreicht ist, wenn die Obertöne 
überhaupt verschwinden. Ferner kommt die Intensität des Klangs für die Gefühls¬ 
bedeutung desselben unmittelbar in Betracht. Sie bestimmt die eine Richtung 
des Gefühls ebenso wie die Beschaffenheit der Theiltöne die andere. Stärke 
und Schwäche des Klangs, Tiefe und Höhe des Tons bedingen zunächst zwei 
Haupfpaare des Gegensatzes, die sich zu vier erweitern, wenn man die Ilaupt- 
unterschiede der Klangfärbung, die Verbindung mit tiefen oder mit hohen Obertönen, 
in doppelter Lage hinzunimmt (Fig. \&\). Denkt man sich die äußersten Punkte 
dieser Gegensätze durch eine geschlossene Curve vereinigt, so ist von jedem 
Punkt derselben, ähnlich wie von jedem Punkt der Farbencurve, ein dreifaches 
Fortschreiten möglich, vor- und rückwärts in der Peripherie der Klangcurve 
und gegen die gleichgültige Mitte hin. Die Stelle der contrastirenden Gefühle 
liegt aber bei denjenigen Klängen, die hohe und mäßig hohe Obertöne mit 
geringer Klangstärke verbinden. Dies hat darin seinen Grund, dass sich bei 
geringer Klangstärke die den entgegengesetzten Enden der Tonreihe zugehörigen 
Theiltöne des Klangs deutlicher von einander sondern, und dass außerdem bei 
starken Klängen gleichsam die Unschlüssigkeit des Contrastes durch die Kraft 
des Gefühlstones überwunden wird. Uebrigens hat diese Darstellung der Klang¬ 
gefühle, wie nicht übersehen werden darf, in höherem Grade eine bloß sym¬ 
bolische Bedeutung als die Darstellung der Farbengefühle, weil sich die letztere 
unmittelbarer an das System der Empfindungen anschließt Auch lassen solche 
Analogien des Gefühls natürlich nicht die geringsten Schlüsse über die physio¬ 
logische oder gar die physikalische Natur der Farben und Klänge zu. Der 
Aristotelischen, von Goethe wieder erneuerten Farbenlehre, wonach die Farben 
aus der Vermischung von Hell und Dunkel in verschiedenen Verhältnissen ent¬ 
stehen sollen, lag wohl neben anderem auch eine derartige Verwechselung zu 
Grunde. Für unser Gefühl ist in der That Hell und Dunkel das Einfachere, 
die Farbe das Zusammengesetztere, denn die Gefühle, welche die letztere wachruft, 
zeigen mannigfachere Uebergänge zu Gefühlen von entgegengesetzter Beschaffen- 
1) Rechts unten in Fig. 14t, bei den Klängen mit hohen Obertönen und von ge¬ 
ringer Klangstärke.
	        
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