Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

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Gefühlston der Empfindung. 
lieh dadurch, dass sie, wie die Farbenempfindungen eine in sich zurückkehrende 
Linie bilden, so auch zwei Uebergänge des Gefühlstones enthält, obzwar bei 
den Farben selbst wie bei den Tönen nur ein einziger Gegensatz der Stim¬ 
mung existirt, der einerseits im Gelb , anderseits im Blau am stärksten aus¬ 
geprägt zu sein scheint. Dieser Gegensatz ist der der Lebhaftigkeit und der 
Ruhe. Es ist eigentümlich, dass wir uns gerade bei den Farben, bei denen 
doch die Bewegung oder zeitliche Dauer nicht in der Weise wie bei den Tönen 
für das Gefühl mitbestimmend wird, zu diesen von der Bewegung entliehenen 
Bezeichnungen gedrängt sehen. Zwischen dem Gelb und dem Blau gibt es aber 
zwei Uebergänge: der eine durch das Grün, der andere durch die röthlichen 
Farbentöne, das eigentliche Roth, Purpur und Violett. Beide Uebergänge haben 
nun eine sehr verschiedene Bedeutung für das Gefühl. In dem Roth und den 
ihm verwandten Farben ist die Bewegung des Gelb und die Ruhe des Blau zu 
einem zwischen Bewegung und Ruhe hin- und herwogenden Zustand der Un¬ 
ruhe geworden. Diese Vermittlung durch den Zwiespalt ist am deutlichsten 
in den blaurothen Farbentönen, wie im Violett, repräsentirt. Das Grün da¬ 
gegen drückt ein wirkliches Gleichgewicht aus. Im Vergleich mit dem erstar¬ 
renden Blau und dem erregenden Gelb verbreitet es ein befriedigendes Ruhe¬ 
gefühl. Für den Gefühlston hat also der doppelte Uebergang der Farbenreihe 
seine Bedeutung darin, dass der eine, der durch die Mischfarbe des Purpur, 
die Gegensätze zu einem dissonirenden Gefühle mischt, der andere, der durch 
das einfache Grün, sie in ein harmonisches Gleichgewicht setzt. So hat auch 
diese doppelte Ausgleichung in einer allgemeinen Eigentümlichkeit des Gefühls 
ihren Grund, die schon bei der Klangwirkung, wenngleich hier in anderer Wreise, 
zur Geltung kommt: nämlich in der Existenz zwiespältiger oder dis so¬ 
tt ir en der Gefühle. Zwischen je zwei Gegensätzen des Gefühls gibt es einen 
Indifferenzpunkt der Gleichgültigkeit ; gewissen Gemütszuständen ist es aber 
eigen, dass in ihnen das Gefühl fortwährend zwischen jenen beiden Gegensätzen 
hin- und herschwankt. Das ruhige Beharren auf dem Indifferenzpunkt ist ein 
stabiles, das unruhige Oscilliren zwischen beiden Lagen ein labiles Gleich¬ 
gewicht des Gemüths. Es gibt vielleicht keine zwei Gefühlsgegensätze, zwischen 
denen nicht solche Zustände des labilen Gleichgewichts Vorkommen. Aber 
hauptsächlich sind die Zustände dieser Art an solche Empfindungen gebunden, 
welche die Bedingungen zu einem Contrast des Gefühls unmittelbar in sich 
tragen. So geben unter den Klängen vorzugsweise jene einer zwiespältigen 
Stimmung Ausdruck, deren eigenihümliche Klangfarbe auf dem Nebeneinander 
tiefer Grundtöne und hoher Obertöne beruht. Aehnlich verhält es sich mit 
den Farbeneindrücken. Während das reine Grün die Farben, zwischen denen es 
den Uebergang bildet, in sich nicht mehr neben einander enthält, ist das Violett 
und der angrenzende Theil des Purpur deutlich aus Blau und Roth, also aus 
Farben von contrastirendem Gefühlston gemischt. Bringen wir hiernach die 
einfachen Farben mit den einfachen Tonen in Parallele, so begegnet uns in 
Bezug auf den ihnen behvolinenden Gefühlston der nämliche Unterschied, der 
sich in der reinen Qualität der Empfindungen darstellte. Zwar existirt bei den 
Farben, wie bei den Tönen, nur ein einziges Gegensatzpaar, aber da zwischen 
den Gliedern dieses Gegensatzes zw^ei Uebergänge möglich sind, einer, der den 
Gegensatz in einem einfachen Zwischengefühl aufhebt, und ein zweiter, der 
denselben durch ein eontrastirendes Gefühl vermittelt, so kann die Reihe der 
einfachen Gefühle nicht mehr durch eine gerade Linie sondern nur durch eine
	        
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