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Gefühlston der Empfindung.
ruhigen , aufgeregteren Stimmungen an, wobei aber der allgemeine Cha¬
rakter der Plus- und Minusseite erhalten bleibt. So ist das Roth die Farbe
energischer Kraft. Bei großer Lichtstärke wohnt ihm mehr als irgend
einer andern ein aufregendes Gefühl inne, wie denn bekanntlich Thiere
und Wilde durch eine blutrothe Farbe gereizt werden. Bei geringerer
Lichtstärke dämpft sich sein Gefühlston zu Ernst und Würde herab, ein
Charakter, den es noch vollständiger im Purpur annimmt, wo es zu den
Farben der ruhigeren Stimmung, Violett oder Blau, übergeht. Das Violett
endlich zeigt, entsprechend seiner gleichzeitigen Verwandtschaft zu Blau
und Roth, einen Zug düsteren Ernstes und einer unruhig sehnenden Stim¬
mung , der auch dem Indigblau schon theilweise zukommt.
Die Wirkung der reinen Farben kann nun in entgegengesetzter Weise
modificirt werden, je nachdem entweder durch die Beimengung von Weiß
ihre Sättigung abnimmt, oder aber in Folge der verminderten Lichtstärke
sie sich dem Schwarz nähern. Beiden Veränderungen entsprechen Modifi-
cationen des Gefühls, die sich im allgemeinen als eine Combination der
Wirkung des reinen Weiß und Schwarz mit derjenigen der betreffenden
Farbe betrachten lassen. So wird die aufregende Wirkung des Roth durch
verminderte Sättigung im Rosa zu
einem Gefühl gemildert, das an den
Affect aufgeregter Freude erinnert. In dem weißlichen Violett oder Lila
hat sich der melancholische Ernst des dunkeln Violett zu einer sanften
Schwermuth ermäßigt, und im Himmelblau hat die kalte Ruhe des ge¬
sättigten Dunkelblau einer ruhigen Heiterkeit Platz gemacht. Nicht minder
wird die erregende Stimmung des Gelb durch den Zusatz von Weiß zu
dem ruhigeren Lustgefühl ermäßigt, welches der Empfindung des Sonnen¬
lichtes entspricht, und das Grün verliert durch verminderte Sättigung von
seinem ausgleichenden Charakter, indem sich etwas von der erregenden
Wirkung des Hellen ihm beimengt. Dagegen nehmen alle Farben, die an
und für sich einen ernsten Charakter tragen, wie Roth, Violett, Blau, und
auch das Grün, insofern es durch seine Zwischenstellung zum Ausdruck
einfachen Ernstes befähigt wird, mit verminderter Lichtintensität an Ernst
des Ausdrucks immer mehr zu. Nur beim Gelb wirkt die Lichtabnahme
zu der an und für sich dem weißen Lichte
verwandten Stimmung der Farbe. So erhält denn das dunkle Gell) und
das ihm gleichende spektrale Orange einen Ton gedämpfter Erregung, der.
vielmehr als ein Gegensatz
wenn die Lichtabnahme noch weiter geht, im Braun schließlich einer
völlig neutralen Stimmung weicht. Dies ist offenbar der Grund, weshalb
wir neben dem gesättigten Grün, der einzigen eigentlichen Farbe, der eine
ähnlich neutrale Bedeutung zukommt, und dem Grau, das zwischen den
entgegengesetzten Stimmungen von Weiß und Schwarz in der Mitte liegt,
noch das Braun als Farbe derjenigen Gegenstände wählen, die uns fort-