Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

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Qualität der Empfindung. 
vorauszusetzen, dass der physiologische Vorgang der farblosen Lichterregung 
überhaupt bei jeder Lichtreizung vorhanden sei. und dass derselbe nur 
unter besonderen Bedingungen, bei Beschränkung des Reizes auf bestimmte 
Wellenlängen und auf gewisse mittlere Intensitäten, sich zugleich mit der 
farbigen Lichtreizung verbinde. Die farblose Lichtempfindung gleicht in 
dieser Beziehung der Geräuschempfindung; nur ist die letztere wegen der 
analysirenden Fähigkeit des Ohres stets unmittelbar als eine von dem Klang 
verschiedene Empfindung wahrzunehmen. Doch besteht eine weitere Ana¬ 
logie beider darin, dass auch die Farbenempfindung höchst wahrscheinlich 
Product einer Entwicklung ist, indem die unvollkommeneren Sehorgane 
wohl nur zur Unterscheidung von Helligkeitsgraden geeignet sind. 
Für die Theorie der farbigen Lichterregung kommt nun, bei unserer 
geringen directen Kenntniss der Netzhautvorgänge, hauptsächlich I) die 
Verwandtschaft der Anfangs- und Endfarbe des Spektrums und 2) die 
ebenfalls aus der Empfindung bekannte Thatsache in Betracht, dass je 
zwei Wellenlängen von hinreichender Verschiedenheit sich in Bezug auf 
die farbige Erregung compensiren, so dass nur die alle Lichtreizungen 
begleitende farblose Erregung zurückbleibt. Beide Thatsachen lassen sich 
insofern in einen gewissen Zusammenhang bringen, als aus der subjec- 
tiven Verwandtschaft von Roth und Violett auf die Aehnlichkeit der ent¬ 
sprechenden Erregungsvorgänge zu schließen ist, und als daher von vorn¬ 
herein erwartet werden muss, dass diejenigen Wellenlängen, die sich in 
Bezug auf farbige Erregung compensiren, in der nach der subjectiven 
Verwandtschaft der Farben entworfenen geschlossenen Farbenlinie möglichst 
weit von einander entfernt sein werden. Nimmt man hierzu die weitere 
Thatsache, dass verschiedene Wellenlängen von geringerer Schwingungs¬ 
differenz zusammen eine Lichterregung von gleicher Beschaffenheit wie die 
zwischen ihnen liegende einfache Wellenlänge hervorbringen, so folgt 
daraus das Mischungsgesetz mit Einschluss der drei Grundfarben von 
selbst. 
Frägt man nun aber ferner, ob diese Data dazu nöthigen, in ähnlichem 
Sinne eine Mehrheit specifisch verschiedener Erregungsprocesse vorauszu¬ 
setzen, wie die farblose Lichterregung als eine von der chromatischen ver¬ 
schiedene, wenn auch im allgemeinen mit ihr verbundene anzuerkennen 
ist, so muss diese Frage, wie ich glaube, mit nein beantwortet werden. 
Das Mischungsgesetz ist, wie schon angedeutet wurde, vollständig mit der 
jedenfalls nächst liegenden Annahme vereinbar, dass die chromatische Rei¬ 
zung eine in kleinen für uns nicht näher nachzuweisenden Abstufungen 
veränderliche Function der Wellenlänge des objectiven Lichtes, und dass 
mit jeder chromatischen zugleich eine achromatische Reizung verbunden 
sei. Auch die Erscheinungen der Farbenblindheit enthalten dagegen kei-
	        
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