Lichtempfîndungen.
477
Helligkeit der Umgebung, so ist die Farbenempfindung um so gesättigter,
in je größerem Gegensätze sie sich zur Farbenempfindung umgebender
Netzhautstellen befindet. Die Farben des größten Gegensatzes sind aber
die auf der Farbentafel einander gerade gegenüberliegenden Complementär-
farben. Jede Farbe wird daher dann in größter Sättigung empfunden,
wenn die umgebende Netzhaut von einem complementärfarbigen Eindruck
getroffen wird. Um also die einzelnen Farben im Maximum ihrer Sättigung
erscheinen zu lassen, muss man z. B. Roth auf grünblauem, Gelb auf
violettem, Grün auf purpurrothem Grunde betrachten. Augenscheinlich
besteht hier eine Beziehung zwischen den Contrasterscheinungen und den
Nachbilderphänomenen. Eine gegebene Netzhautstelle ist dann in einen
Zustand versetzt, in welchem sie zur möglichst gesättigten Empfindung
einer Farbe disponirt ist, wenn man sie zuvor für die Gomplementärfarbe
ermüdet hat. Man hat daher auch die durch Ermüdung hervorgerufene
Veränderung als su ccessiven Contrast bezeichnet und davon die eigent¬
lichen Contrasterscheinungen, welche auf der Wechselbeziehung jeder
empfindenden Stelle zu ihrer Umgebung beruhen, als simultanen Con¬
trast unterschieden. Der successive kann natürlich neben dem simultanen
Contrast bestehen. Man kann zuerst einer Netzhautstelle durch Beizung
ihrer selbst und hierauf, während der Eindruck stattfindet, durch Beizung
ihrer Umgebung mit complementärem Lichte oder mit entgegengesetzter
Lichtintensität die möglichst große Empfindlichkeit für einen gegebenen
Lichtreiz verleihen. Jeder Eindruck wird daher dann am entschiedensten
in der ihm eigenen Farbe und Helligkeit empfunden, wenn er eben¬
sowohl durch success iven wie durch simultanen Contrast ge¬
hoben ist.
Man kann leicht beobachten, dass es sehr mannigfaltige Grade des
Contrastes gibt. Wie wir eine Netzhautstelle in verschiedenem Maße für
eine bestimmte Farbe ermüden und hierdurch die Reizbarkeit für die ihr
complementäre vergrößern können, indem wir kürzer oder Finger, in
größerer oder geringerer Sättigung den ermüdenden Farbeneindruck wirken
lassen: so sind auch beim simultanen Contrast die verschiedensten Abstu¬
fungen möglich. Diese sind bei Helligkeitscontrasten von der Lichtstärke
der Eindrücke, bei Farbencontrasten sowohl von der Lichstärke oder Hel¬
ligkeit wie von dem Farbenton und der Sättigung der Farben abhängig.
Legt man ein weißes Object von immer gleicher Beschaffenheit, z. B. ein
Quadrat aus weißem Papier, auf verschiedene neben einander gestellte
dunkle Flächen, die von vollkommenem Schwarz durch dunkles Grau bis
zu Lichtgrau abgestuft sind, so erscheint das weiße Object in abgestufter
Helligkeit, auf dem schwarzen Grunde am hellsten, auf dem lichtgrauen
Grunde am wenigsten hell. Variirt man nun aber nicht bloß die Heilig-