Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

Lichtempfindungen. 
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denken habe, wird aber die Theorie der Farbenempfindungen in genauem 
Zusammenhang mit allen andern Thatsachen Rechenschaft geben müssen. 
Unsere normalen Lichtempfindungen bilden, wie aus der obigen Dar¬ 
stellung hervorgeht, eine stetige Mannigfaltigkeit von drei Dimensionen. 
Der wesentlichste Unterschied derselben von dem System der Tonempfin- 
dungen besteht darin, dass sie ein in sich geschlossenes Continuum 
bilden, während die Tonlinie zwar vermöge der beschränkten Reizempfäng- 
lichkeit unserer Organe gewisse Grenzen hat, hiervon abgesehen aber ins 
unbegrenzte ausgedehnt gedacht werden kann. Diese Geschlossenheit des 
Farbensystems, welche in der Darstellung desselben durch eine geschlossene 
geometrische Form, Kugel oder Doppelpyramide, ihren Ausdruck findet, 
ist begründet einmal in der geschlossenen Form der einfachen Farbencurve, 
und sodann in der wechselseitigen Beziehung von Farbenstufe und Licht¬ 
stärke, welche von einander abhängige Bestimmungen der Empfin¬ 
dung sind. Durch diese Beziehung wird daher das ganze System der 
Lichtempfindungen ein in sich geschlossenes Raumgebilde von drei Dimen¬ 
sionen. Jene Wechselbeziehung zwischen Farbenstufe oder Sättigung und 
Lichtstärke ist übrigens die Ursache, dass wir in der reinen Empfindung 
Intensitäts- und Qualitätsunterschiede des Lichtes nicht sicher zu unter¬ 
scheiden vermögen. So hielten die Alten, und hielt noch Goethe in seiner 
Farbenlehre Weiß und Schwarz nicht für Stärkegrade sondern für Grund¬ 
qualitäten der Lichtempfindung, eine Anschauung, zu welcher man bis¬ 
weilen selbst in neuerer Zeit vom Standpunkte einer ausschließlich sub- 
jectivcn Beurtheilung der Lichtempfindungen zurückkehrte. 
Ist die Empfindlichkeit für den Farbenton vollständig oder theilweise 
aufgehoben, so nimmt auch das System der Lichtempfindungen eine andere 
Form an. Für ein total farbenblindes Auge, welches nur Helligkeiten 
unterscheidet, beschränkt sich jenes System auf ein Continuum von einer 
Dimension, auf eine Gerade, welche alle Abstufungen der Lichtstärke von 
Weiß bis zu Schwarz umfasst. Bei der partiellen Farbenblindheit dagegen 
bilden die Lichtempfindungen annähernd ein zweidimensionales Sy¬ 
stem. Die eine Dimension enthält als Endpunkte die beiden Grundfarben, 
welche erhalten geblieben sind Grün und Violett, Roth und Violett, Roth 
und Grün), sie gehen durch verschiedene Farbentöne in eine mittlere 
Strecke über, welche der farblosen Empfindung entspricht; dazu kommt 
dann als zweite Dimension die Abstufung der Intensitätsgrade. 
Aus der oben festgestellten Abhängigkeit der Farbenempfmdung von 
der Lichtstärke für das normale Auge erhellt, dass man in dem dreidimen¬ 
sionalen System der Lichtempfindungen von einer beliebigen Farbe zur 
Empfindung Weiß oder Schwarz auf doppeltem Wege gelangen kann:
	        
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