Lichtempfindungen.
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Gelbgrün u. s. w., seinen Ausdruck gefunden. Hieraus darf aber offenbar
noch nicht geschlossen werden, dass in unserer unmittelbaren Empfindung
die Hauptfarben einen von den Uebergangsfarben specifisch verschiedenen
Charakter besitzen, sondern da die Hauptfarben, wie die Geschichte der
Sprache wahrscheinlich macht, von gewissen ausgezeichneten Objecten,
wie z. B. das Grün von dem grünen Pflanzenfarbstoff, das Roth von dem
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Blutroth, ihre frühen Namen erhalten haben, so scheinen vielmehr be¬
stimmte Sinneseindrücke die Wahl der Hauptfarben veranlasst zu haben,
worauf dann von selbst den übrig bleibenden die Stellung von Uebergangs¬
farben zufallen musste. Neben den genannten dürfte hierbei noch dem
Blau des Himmels und dem durch den Contrast zum blauen Himmel ent¬
stehenden Gelb der Gestirne eine bestimmende Rolle zugefallen sein. Nur
der Umstand, dass es gerade vier Hauptfarben gibt, mag vielleicht in
der subjectiven Natur der Empfindung eine gewisse Grundlage haben, da
je zwei benachbarte Hauptfarben einander nahe genug sein müssen, damit
bei allen zwischenliegenden Farben eine Verwandtschaft mit beiden merk¬
lich werde. Wenn wir die Farbenreihe als eine in sich zurücklaufende
Curve betrachten, bei der man von unmerklichen zu merklichen und dann
zu immer mehr übermerklichen Unterschieden übergeht, so lässt es sich
im allgemeinen begreifen, dass es für jeden Punkt derselben einen andern
geben müsse, der einer Empfindung von der größtmöglichen qualitativen
Verschiedenheit entspricht. Bei der oben angedeuteten Ausmessung der
Bogenlängen des Farbenkreises nach Graden der Unterschiedsempfindlichkeit
sind aber, wenn man sich die Ergänzung durch Purpur hinzudenkt1), als
Punkte der größten Farbendifferenz offenbar solche zu betrachten, welche
von den Enden je eines Kreisdurchmessers berührt werden, und die vier
Hauptfarben erhält man, wenn zuerst das zwischen den Enden des Spek¬
trums gelegene Purpur mit der ihm gegenüberliegenden mittleren Spektral¬
farbe Grün durch einen Durchmesser verbunden und außerdem der hierauf
senkrechte Durchmesser gezogen wird: der letztere trifft dann die zwei
weiteren Hauptfarben Gelb und Blau (Fig. 130). Das Purpur statt des
Roth zu wählen, dürfte deshalb gerechtfertigt sein, weil es die gleich
ausgeprägte Differenz zu den drei anderen Hauptfarben zeigt, während
mit demselben die Anfangs- und die Endfarbe des Spektrums in gleichem
Maße verwandt erscheinen. Ist eine Hauptfarbe bestimmt, so sind dann
die drei andern von selbst als diejenigen gegeben, die auf dem nach Ein¬
heiten der Unterschiedsempfindlichkeit construirten Farbenkreis um je 90°
von einander entfernt sind.
\j Um für das Purpur die entsprechenden Werthe der Unterschiedsempfindlichkeit
zu gewinnen, könnte man die minimalen Mischungsänderungen von Roth und Violett
als Maße der Unterschiedsempfindlichkeit benutzen ; es liegen jedoch hierüber noch
keine Versuche vor.
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