Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

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Qualität der Empfindung. 
nähern, demnach sich ähnlich verhalten wie zwei im Spektrum benach¬ 
barte Farben, z. B. Roth und Orange oder Blau und Indigblau. Die Far¬ 
ben bilden also nicht, wie die Töne, eine Linie, die immer in derselben 
Richtung fortschreitet, sondern das Ende dieser Linie nähert sich wieder 
ihrem Anfang. Dies bedeutet offenbar, dass die genannte Linie keine 
gerade ist, sondern eine irgendwie gekrümmte oder geknickte Form hat. 
Die Verwandtschaft zwischen den beiden Endfarben des Spektrums tritt 
am deutlichsten darin zu Tage, dass, wenn man dieselben mischt, eine 
Farbe entsteht, welche alle möglichen Uebergangstöne zwischen Roth und 
Violett enthält. Diese Farbe ist das Purpur. Dasselbe liegt dem Roth 
näher, wenn in der Mischung das Roth überwiegt (Karmesinroth), es nähert 
sich dem Violett, wenn von dieser Farbe mehr in die Mischung eingeht 
(eigentliches Purpur). Hiernach lässt sich die Mannigfaltigkeit der einfachen 
Farben als eine gekrümmte Linie darstellen, deren Enden sich nähern, 
am einfachsten als eine Kreislinie, der ein kleines Bogenstück zum voll¬ 
ständigen Kreise fehlt: nimmt man die durch Mischung der Endfarben des 
Spektrums erzeugbaren Farbentöne hinzu, so wird damit auch dieser Bogen 
ergänzt. Unsere Farbenempfindungen bilden nun eine in sich zurück¬ 
laufende Linie. Hiermit hängt ein weiterer Unterschied der Farben- 
von den Tonempfindungen zusammen. Die Farbenlinie lässt sich nicht 
wie die Tonlinie nach beiden Richtungen ins unendliche fortgesetzt denken, 
sondern der Umfang der Farbenempfindungen ist ein in sich begrenzter. 
Ja es scheint, als wenn, falls wir uns die Veränderungen des Violett und 
des Roth, wie sie gegen die Enden des Spektrums hin stattfinden, weiter 
fortgeführt denken wollten, dies nur in der Richtung der Farbentöne des 
Purpur geschehen könnte. Doch mag es sein, dass dies mehr auf Erfah¬ 
rung als auf ursprünglicher Empfindung beruht1). Uebrigens ist der Kreis 
zwar die einfachste Form, die wir für die Farbenlinie voraussetzen können, 
aber keineswegs die einzige; irgend eine andere gegen ihren Ausgangs¬ 
punkt zurücklaufende Curve, ja eine geknickte, aus gekrümmten oder 
geraden Theilen zusammengesetzte Linie, z. B. ein geradliniges Dreieck, 
würde sie ebenso gut darstellen. Bedingung bei allen diesen Darstellungen 
bleibt nur, dass die beiden Enden sich wieder nähern und, wenn man 
die Ergänzung durch Purpur hinzunimmt, in einander übergehen. Die 
purpurnen Farbentöne sind aber zugleich die einzigen unter allen Misch- 
1) Die gewöhnlich nicht sichtbaren brechbarsten Strahlen des Spektrums, die aber 
bei Ausschluss alles andern Lichtes sichtbar gemacht werden können, die über- 
violetten Strahlen, erscheinen allerdings nicht purpurfarben, sondern bläulicher als 
das eigentliche Violett. Aber dies ist kein Widerspruch gegen die Annahme eines 
Zurücklaufens der Farbencurve. Denn jener bläuliche Farbenton wird durch die 
Fluorescenz der Netzhaut bedingt, welche bei den übervioletten Strahlen im Verhält- 
niss zur Intensität der Empfindung ihre größte Stärke erreicht. Das Fluorescenzlicht ist 
nämlich weißlich, Weiß mit Violett gemischt gibt aber einen bläulichen Farbenton.
	        
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