Schallempfindungen.
441
töne, also in der Regel nach der Ordnungszahl derselben, da bei den meisten
musikalischen Klängen die Stärke der Obertöne mit der Höhe abnimmt. End¬
lich können noch die Combinationstöne unter einander oder mit den pri¬
mären Tönen Schwebungen bilden. Zu Schwebungen der Obertöne geben
gerade solche Klangintervalle leicht Anlass, welche sich einem einfachen
Yerhältniss der Schwingungszahlen annähern, ohne aber dasselbe vollstän¬
dig zu erreichen. Jenen einfachen Intervallen entsprechen nämlich regel¬
mäßig übereinstimmende Obertöne. So ist z. B. für das Yerhältniss
Grundton und Quinte (c : g) die Duodecime des Grundtons [g) zugleich die
Octave der Quinte, also ein coincidirender Oberton beider Klänge. Werden
nun die beiden Töne um einige Schwingungen verstimmt, so werden des¬
halb zwischen den beiden Grundtönen keine Schwebungen bemerkt, aber
die Obertöne g sind für beide Klänge nicht mehr identisch, sie müssen
daher Schwebungen mit einander bilden, deren Zahl genau der Anzahl
von Schwingungen entspricht, um welche die beiden Grundtöne von ein¬
ander ab weichen. In einem ähnlichen Verhältniss stehen noch weitere
Obertöne der beiden Klänge. So findet man z. B. für das Yerhältniss
Grundton und Quinte, dass außer der Duodecime oder dem dritten Partial¬
ton des Grundtons noch der 5te, 7te, 9te u. s. w. mit dem 4ten, fiten
8ten u. s. wr, der Quinte zusammenfällt. Alle diese Obertöne bilden daher
auch, sobald sie nicht mehr genau coincidiren, Schwebungen. Mehrere
neben einander herlaufende Klänge müssen also um so genauer in ihren
Grundtönen auf harmonische Intervalle gestimmt sein, je mehr sie von
Obertönen begleitet sind. Die Rauhigkeit der Obertöne ist deshalb das
hauptsächlichste Mittel, um Klänge nach harmonischen Intervallen zu stim¬
men, ein Umstand, welcher die Verwechslung dieser Begriffe theilweise
erklärt1).
Eine weitere Erscheinung, durch welche namentlich bei den tieferen
Tönen die Zusammenklänge eine verwickeltere Beschaffenheit annehmen
können, besteht darin, dass sich die Schwebungen ebenfalls zu einem
Tone verbinden. Es geschieht dies immer dann, wenn erstens ihre Zahl
so groß ist, dass die untere Grenze der Tonempfindungen erreicht wird,
und wenn zweitens die zusammenklingenden Töne eine hinreichende Stärke
besitzen. Es entstehen dann die von R. König untersuchten Stoßtöne2).
Sie sind nichts anderes als Schwebungen, welche gleichzeitig den Ton¬
charakter besitzen, und welche die tieferen Combinationstöne, mit denen
sie zum Theil zusammenfallen, wesentlich verstärken können. Da sie
nur entstehen, so lange deutliche Schwebungen existiren, so sind sie bei
1) lieber die Schwebungen der Obertöne bei verschiedenen Intervallen vgl. Helm¬
holtz a. a. O. S. 287 f.
2) R. König, Pogg. Ann., CLVII, S. 193 f. Wiedemann’s Ann., XII, S. 335.