Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

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Qualität der Empfindung. 
Schwebungen zweier Töne erzeugen, an denen keine Dissonanz bemerkt 
wird. Dies beruht darauf, dass wir Intermissionen des Tons schärfer auf¬ 
fassen als Unterschiede der Tonhöhe. Zwei Töne können daher Schwe¬ 
bungen mit einander machen, obgleich sie im Einklang zu stehen oder 
einem harmonischen Intervall anzugehören scheinen. Solche Schwebungen 
können unter Umständen sogar als Hülfsmittel musikalischer Wirkung 
dienen, öfter zwar sind sie störend, aber nicht weil durch sie Dissonanz 
entsteht, sondern weil die zitternde Beschaffenheit des Klangs meistens 
für den musikalischen Ausdruck nicht angemessen ist. Im allgemeinen 
achten wir auf Schwebungen dieser Art nicht viel, so lange nur das 
Verhältniss der Tonhöhen und die Klangverwandtschaft ungeändert bleiben. 
Hierauf beruht auch die relativ geringe Belästigung, welche uns die Stim¬ 
mung der Instrumente nach gleichschwebender Temperatur verursacht. 
Denn die Abweichungen derselben von der reinen Stimmung üben meistens 
auf die Empfindung von Tonhöhe und Klangverwandtschaft keinen nennens- 
werthen Einfluss aus. 
Wie einfache Töne mit einander Schwebungen bilden und dadurch 
Rauhigkeit des Klangs erzeugen können, so ist dies auch bei den verschie¬ 
denen Partialtönen zusammengesetzter Klänge möglich. Von den einzelnen 
Bestandtheilen eines Klanges können entweder die Grundtöne mit einander 
Schwebungen bilden; dann sind diese wegen der überwiegenden Stärke des 
Grundtons so mächtig, dass die Rauhigkeiten der Obertöne, die hierbei nie 
fehlen, dagegen verschwinden. Oder es können die Grundtöne consonant 
sein, aber die Obertöne derselben mehr oder weniger starke Schwebungen 
erzeugen. In solchem Falle ist die Rauhigkeit geringer als im vorigen, und 
sie richtet sich in ihrer Stärke nach der Intensität der dissonirenden Ober- 
Gewichte allmählich verstimmt, entsprechend wurde der Resonanzkasten derselben durch 
Ausziehen eines Schiebers aus Pappe in seiner Stimmung verändert. Auf diese Weise 
konnte leicht das Entstehen der Schwebungen vom Einklänge an bis zum Maximum der 
Rauhigkeit und von da bis zum Verschwinden der Dissonanz verfolgt werden. Unter 
allen Umständen fand ich so schon bei 50 Schwebungen die Rauhigkeit so undeutlich, 
dass man an ihrer Existenz zweifeln konnte; über 60 war aber keine Spur von Störung 
mehr zu bemerken. Auch die umfangreichen Beobachtungen von R. König (Poggen- 
dorff’s Annalen, CLVII, S. 177 f.) sprechen für diese Grenze. Die Stöße, welche von 
ihm als noch eben wahrnehmbar bezeichnet werden, schwanken durchgängig um 40 
in der Secunde ; darüber hinaus trete »Rauhigkeit« des Klanges ein. Auf die nämliche 
Grenze führt endlich die Beobachtung der tiefsten Töne hin. Wenn man zwei große 
gedeckte Labialpfeifen, die zwischen dem C von 64 und dem c von 128 Schwingungen 
in ihrer Stimmung veränderlich sind, auf Grundton und Quinte (C und G) stimmt, so 
entsteht ein Differenzton Ci von 32 Schwingungen, an dem noch eben die Intermissionen 
der einzelnen Luftstöße bemerklich sind. Bei dem Ton C von 64 Schwingungen ist aber 
davon keine Spur mehr zu entdecken. Uebrigens ist zu bemerken, dass die tiefsten 
einfachen Töne, auch wenn noch die einzelnen Luftstöße derselben empfunden wer¬ 
den, niemals jene Rauhigkeit zeigen, welche bei den Schwebungen beobachtet wird, 
und welche eben in dem raschen Wechsel zwischen den zwei dissonirenden Tönen 
ihre Ursache hat.
	        
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