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Qualität der Empfindung.
bezeichnet, entspricht der Differenz der Schwingungszahlen des oberen
Tones und der Octave des tieferen. Die Schwebungen verschwinden also
hier, wenn die Octave erreicht wird / ähnlich wie die unteren beim Ein¬
klang aufhören. Während aber die letzteren in der unmittelbaren Inter¬
ferenz der beiden Töne ihre Ursache haben, beruhen die oberen Stöße
auf der Interferenz des höheren Tons mit dem ersten Oberton des tiefe¬
ren. Dass sie auch bei reinen Stimmgabelklängen entstehen können, er¬
klärt sich entweder daraus, dass auch diesen bei großer Klangstärke der
erste Oberton nicht ganz fehlt, oder aber aus der subjectiven Entstehung
desselben durch Resonanz der auf ihn abgestimmten Theile im Gehör¬
organ.
Die störende Wirkung der Schwebungen hat ihren Grund in der
Umwandlung der stetigen Tonempfindung in eine intermittirende. Bei sehr
langsamen Schwebungen macht sich daher die störende Wirkung noch kaum
geltend, und sie wächst mit der Zunahme der Schwebungen bis zu einem
Maximum, worauf sie schnell abnimmt und bald ganz schwindet, indem
die Schwebungen aufhören wahrnehmbar zu sein. Jenes Maximum der
Störung liegt etwa bei 30 Schwebungen in der Secunde. Bei dieser oder
einer ihr nahe kommenden Geschwindigkeit bringen die Schwebungen ein
rasselndes, R-ähnliches Geräusch hervor, wobei wegen der großen Schnellig¬
keit, mit der die einzelnen Tonstöße auf einander folgen, eine deutliche
Auffassung der Tonhöhe nicht mehr möglich ist. Der Klang verliert also
hier seinen Charakter als stetige Empfindung und wird unmittelbar zum
Geräusch, welches physikalisch aus einer unregelmäßigen Schallbewegung
besteht (S. 416 Fig. 121) und physiologisch wahrscheinlich auf der Reizung
besonderer Geräuschapparate beruht, während gleichzeitig die Erregung
der Tonapparate des Ohrs durch die Schwebungen gestört wird (S. 321).
Bei Schwebungen, welche die Zahl 30 erheblich übersteigen, vermag unser
Ohr die einzelnen Töne nicht mehr auseinander zu halten. Schon bei
50 Schwebungen wird der intermittirende Charakter der Empfindung sehr
undeutlich, und bei 60 ist er gänzlich verschwunden. Die Angabe, dass
wir noch viel zahlreichere Intermissionen zusammenklingender Töne, sogar
bis zu 132 in der SecundeJ), unterscheiden können, dürfte auf einer Ver¬
wechslung mit dem dissonanten Eindruck beruhen, welchen nicht ver¬
wandte Klänge immer, wenn sie gleichzeitig ertönen, auf uns machen. Wir
müssen aber durchaus die Störungen des Zusammenklanges, welche in
den Schwebungen ihre Ursache haben, von der Beziehung, in welche die
einzelnen Klänge durch ihre Verwandtschaft, nämlich durch die Ueberein-
stimmung oder Verschiedenheit ihrer Theiltöne treten, unterscheiden. Wir
1 ) Helmholtz, Tonempfindungen, 3. Aufl., S. 273.