Schallempfindungen.
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empfindungen deshalb undeutlich wnhrgenommen, weil vermöge der oben
erwähnten objectiven Entstehung der Geräusche aus sich störenden Ton¬
bewegungen die vorhandenen Klangempfindungen nicht stetig andauern
sondern nur in der Form einzelner sehr kurze Zeit dauernder Tonstöße
auftreten. Diese Intermissionen der begleitenden Klangempfindung ver¬
leihen allen dauernden Geräuschen den Charakter des Unstetigen gegen¬
über der stetigen Ton- und Klangempfindung.
Unsere Gehörempfindungen folgen also in dieser Beziehung treu dem
Verlauf der äußeren Reizbewregung: die gleichmäßig andauernde Schwin¬
gungsbewegung empfinden wir als stetigen Klang, die unregelmäßig
wechselnde als unstetiges Geräusch; die regelmäßig periodische Schwin¬
gungsbewegung, den Klang, zerlegen wir in die pendelartigen einfachen
Schwingungen, die Töne, aus denen sie besteht, und bis zu einem ge¬
wissen Grade, insoweit nämlich begleitende Tonempfindungen existiren,
sogar die unregelmäßig periodische Bewegung, das Geräusch, in regel¬
mäßig periodische Schwingungen, Klänge. Man könnte denken, und hat
dies in der That zuweilen geglaubt, diese Analyse entspreche in einem
gewissen Sinne zwar der Zergliederung, wie sie mathematisch ausgeführt
werden kann, nicht aber einer in der Natur vorhandenen Scheidung.
Denn hier existiren nur die zusammengesetzten Schwingungsbahnen der
Theilchen, nicht die einzelnen pendelartigen Schwingungen. Dennoch sind
die letzteren in der zusammengesetzten Bewegung insofern enthalten, als
diese wirklich aus Anstößen hervorgeht, von denen jeder einzelne eine
einfache pendelartige Schwingung erzeugen wTlrde. Das Ohr analysirt
hier allerdings vollkommener als das Auge, welches z. B. bei Beobach¬
tung einer Wasserwelle von einer solchen Addition der Schwingungen
nichts wahrnimmt, aber es legt nichts in den objectiven Vorgang hinein,
was nicht in diesem selbst schon 'enthalten wäre. Nur in einer Be¬
ziehung bleibt die Empfindung hinter dem äußern Vorgang zurück: der
regelmäßig periodischen Schwingung folgt sie als eine stetige, nicht als
eine auf- und ab wogende Qualität, ausgenommen bei den tiefsten musi¬
kalischen Tönen, bei denen wir die einzelnen Schwingungen noch unter¬
scheiden können.
Den Charakter von einfachen Klängen !oder von Tönen im physiolo¬
gischen Sinne haben nur w enige der auf musikalischem Wege erzeugbaren
Klänge in mehr oder minder vollständigem Grade, und selbst bei solchen
Klängen, welche, wie die der Stimmgabeln auf Resonanzräumen oder der
Labialpfeifen der Orgel, objectiv ziemlich genau pendelartigen Schwingun¬
gen entsprechen, führt die Structur des Gehörorgans Bedingungen mit sich,
welche bewirken, dass die zu den Enden des Hörnerven gelangenden
Schwingungen nicht mehr vollkommen einfach sondern mit schwachen