Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

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Qualität der Empfindung. 
der Ausstrahlung der Nervenzweige folgende. Sehr häufig sind die Haarwurzeln 
die Mittelpunkte der Radien. In den verschiedenen Hautregionen ist die Em¬ 
pfindlichkeit für alle drei Reize bekannten Erfahrungen gemäß eine wechselnde. 
So ist die Temperaturempfindlichkeit .an Augenlid, Stirn, Wange, Kinn am 
größten, kleiner an Brust, Bauch, Arm, Hand, am kleinsten an Unterschenkel 
und Fuß. Die Druckpunkte sind an den durch Jeineren Ortssinn ausgezeich¬ 
neten Stellen, w ie an den Fingerspitzen, am dichtesten angeordnet (vgl. Cap. XI). 
Schwache mechanische und elektrische Reize bringen nicht bloß auf die Tempe¬ 
ratur- oder Druckpunkte selbst einwirkend die specifischen Empfindungen hervor, 
sondern es kann auch bei schwacher Reizung der Nervenstämme, w ie des nerv, 
ulnaris, der Handnerven, eine peripherische Ausstrahlung von Temperatur-, 
namentlich Kälteempfindungen, und von Druckempfindlingen beobachtet wer¬ 
den. Uebrigens besteht bei der Einwirkung der Reize auf die Haut zwischen 
den Druck- und Temperaturempfindungen insofern ein wesentlicher Unterschied, 
als die Temperaturreize nur dann die entsprechenden Empfindungen erregen, 
wenn sie auf die Temperaturpunkte selbst einwirken, während die ganze Haut¬ 
oberfläche für Druckreize empfindlich ist und nur die Druckpunkte durch eine 
etwas größere Empfindlichkeit ausgezeichnet sind. In der Beschränkung dieser 
erhöhten Empfindlichkeit auf eine annähernd punktuelle Hautstrecke hat vielleicht 
die eigenlhümliche Empfindung des »körnigen«, welche Goldscheider den 
Druckpunkten zuschreibt, ihren Grund. Es dürfte das aber kaum zureichen, 
denselben deshalb mit diesem Beobachter eine specifische Qualität zuzuschrei¬ 
ben und auf diese Weise den Drucksinn als einen besonderen Sinn, der von 
dem über die ganze Haut verbreiteten Gefühlssinn verschieden sei, aufzu¬ 
fassen. Alles spricht vielmehr dafür, dass die sogenannten Druckpunkte ledig¬ 
lich solche Punkte darstellen, an denen durch besondere Hiilfsapparate den 
Tastnerven ein höherer Grad von Druckempfindlichkeit verliehen wird. Hiernach 
scheint es, dass für die Vermittelung der Wärme- und Kälteempfindungen 
distincte, vermuthlich sehr kleine und daher noch völlig unbekannte Endapparate 
in der äußeren Haut existiren, die durch chemische Molec-ularvorgänge, die in 
ihnen durch die Erhöhung oder Erniedrigung der Temperatur angeregt werden, 
die Temperaturempfindungen vermitteln, während die Druckreize überall, wo sie 
auf einen sensibeln Nervenfaden einwirken, den Empfindungsprocess in dem¬ 
selben auslösen. Der Drucksinn würde so als der allgemeine mechanische Sinn, 
der Temperatursinn als der allgemeine chemische Sinn aufzufassen sein (vgl. 
oben S. 29 6). Auch der Umstand, dass die unten zu besprechenden Muskel¬ 
empfindungen in ihrer Qualität unverkennbar den Druckempfindungen gleichen, 
scheint mir ein unterstützendes Moment zu sein, da die Muskelcontraction 
wahrscheinlich ebenfalls auf die sensibeln Fasern des Muskels direct einw irkt. 
An die Nachweisung distincter Wärme- und Kältepunkte hat Goldscheider die 
Folgerung geknüpft, es könne die Temperaturempfindung nicht in der auf S. 3 70 
dargestellten Weise aus der Abweichung von der den Einflüssen der Adaptation 
unterworfenen Eigenwärme der Haut erklärt, sondern es müsse zu der einst 
von E. H. Weber gemachten Annahme zurückgekehrt werden, dass Wärmezufuhr 
als Wärmereiz, Wäremeentziehung als Kältereiz wirke. Dem stehen jedoch die 
bestimmten Erfahrungen über die Adaptation des physiologischen Nullpunktes 
der Eigenwärme an die Außentemperatur entgegen. Auch ist es ebenso gut 
möglich, dass diese Vorgänge der Anpassung in zwei verschiedenen Apparaten, 
als dass sie sich in einem einzigen vollziehen. Wenn es nie vorkommt, wras
	        
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