Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

Mathematischer Ausdruck des Beziehungsgesetzes. 
387 
stündlich die algebraische Summirung im Gebiet der Empfindungen nur im 
selben Sinne zur Anwendung bringen, in welchem die Bezeichnungen -f- und — 
gebraucht worden sind ; nicht den Empfindungen als solchen, noch weniger den 
ihnen entsprechenden Reizen galt aber diese Anwendung, sondern der Ent¬ 
fernung von der Reizschwelle als der Grenze des Ueber- und 
Unter merklichen. Zwei Empfindungen -f- a und — a sind darum aller¬ 
dings ebenso wenig zusammen gleich null wie zwei gleich große gerade Linien 
von entgegengesetzter Richtung, wohl aber muss eine Empfindung — a um 
ebenso viel wachsen, wie eine Empfindung -f- a abnehmen muss, damit sie null 
werde, und jedes Wachsthum in der Richtung des Uebermerklichen kann durch 
eine gleich große entgegengesetzte Bewegung in der Richtung des Untermerk¬ 
lichen aufgehoben werden. Ebenso wenig hat man sich vor metaphysischen 
Gespenstern zu fürchten, wenn die dem Reize Null entsprechende Empfindung 
als negativ unendlich bezeichnet wird. Die Psychophysik kennt wie die Physik 
keine absolute Unendlichkeit, sondern unendlich ist in einem gegebenen Fall 
stets diejenige Große, gegen welche jede andere in Betracht gezogene Große 
verschwindet. In diesem Sinne ist in dem gegenwärtigen Zusammenhang negativ 
unendlich eine Empfindung, welche von der Grenze der Merklichkeit weiter als 
jede Empfindung von messbarer Große entfernt ist. Es ist übrigens zu bemerken, 
dass in älterer Zeit auch in der Mathematik die Anwendungen der Begriffe des 
Negativen und des Unendlichen ähnlichen Bedenken begegnet sind1). 
Versuche empirische Formeln aufzustellen, welche eine größere Ueber- 
einstimmung mit der Erfahrung erzielen sollten, sind verschiedene gemacht 
worden. Von der Erwägung ausgehend, dass einerseits bei schwachen Erregun¬ 
gen namentlich beim Sehorgan subjective Reize sich geltend machen, und dass 
anderseits die Existenz der Reizhöhe ein Steigen der Empfindung über einen 
gewissen Maximalwerth verhindert, suchte Helmholtz2) die Fundamentalformel 
in folgender Weise zu ergänzen. Bezeichnet man die als constant angenom¬ 
mene subjective Erregung, durch welche sich das Sinnesorgan stets über der 
Reizschwelle befindet, durch 7f0, so erhält man statt der Fundamentalformel die 
Gleichung 
dE 
clR 
Ti + W0 * 
Nimmt man ferner an, dass C keine Constante sei, sondern eine Function 
von 7?, welche die Form besitze C = 
j——, worin b eine sehr große Zahl 
bezeichne, so wird C für mäßige Werthe von R annähernd unveränderlich 
sein, bei sehr großen Werthen von R aber rasch abnehmen. Man erhält dem¬ 
gemäß 
ad R 
dE 
(b 4- R) (Rö + R)’ 
und hieraus 
E 
a 
R 
o 
log. 
Ro + R 
b + R 
+ H. 
Nach dieser Formel würde die relative Unterschiedsempfindlichkeit bei sehr ge- 
1) Vgl. hierzu Alfr. Köhler, Phil. Stud. Ill, S. 5S8 ff. 
2) Physiologische Optik S. 34 2 f.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.