Das Weber sehe Gesetz.
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Wirkung in zureichend exacter Weise beherrscht werden können, das
W e be RS che Gesetz wenigstens eine annähernde Geltung beanspruchen darf.
Am genauesten und im weitesten Umfang stimmen mit demselben die
Schallversuche überein; begrenzter ist seine Geltung für Lichtstärken,
Druck- und Bewegungs- sowie für Geschmacksempfindungen, völlig unsicher
ist sie in Bezug auf die Temperatureindrücke, während über die Geruchs¬
und Gemeinempfindungen Untersuchungen überhaupt nicht vorliegen, auch
schwerlich solche ausführbar sind. Betrachtet man dieses Ergebniss ohne
Rücksicht auf die speciellen physiologischen Bedingungen der Reizung, so
erscheint der Ausspruch gerechtfertigt, dass das WEBERSche Gesetz eine
allgemeine Geltung nicht besitze, dass es nur für gewisse Sinnesgebiete,
und für die meisten derselben überdies nur innerhalb gewisser Grenzen
zutreffe1). Günstiger gestaltet sich die Sache, wenn wir die physiologischen
Eigenschaften der einzelnen Sinnesorgane in Rücksicht ziehen. Dann fällt
offenbar der Umstand nicht unerheblich ins Gewicht, dass gerade der¬
jenige Sinn, bei welchem die physiologischen Einrichtungen am genauesten
den äußeren Reizen angepasst sind, bei welchem physiologische Transfor¬
mationen der Erregung und Nachwirkungen derselben am wenigsten in
Betracht kommen, der Gehörssinn, auch die umfassendste Bestätigung des
Gesetzes darbietet. Unter verwickelteren Bedingungen befindet sich der
Gesichtssinn. Dass die Intensität des photochemischen Processes, in wel¬
chem hier höchst wahrscheinlich die Nervenreizung besteht, der Lichtstärke
annähernd proportional sei, ist jedenfalls nur innerhalb engerer Grenzen
anzunehmen. Außerdem werden durch die lange Nachdauer der Reizung,
die selbst im Dunkeln andauernden subjectiven Lichterscheinungen, end¬
lich durch den Vorgang der Adaptation für wechselnde Lichtstärken die
Beobachtungen so complicirt, dass es schwierig ist für Reize von sehr
verschiedener Stärke constante physiologische Bedingungen herzustellen.
Wird aber auf alle jene Momente 'Rücksicht genommen, so ergibt sich
auch hier innerhalb ziemlich weiter Grenzen der Reizstärke eine große
Constanz der relativen Unterschiedsempfindlichkeit. Aehnlich dürfte bei
den Temperaturversuchen die Schwierigkeit wesentlich in den Eigenschaften
des Sinnesorgans zu suchen sein, in der Veränderlichkeit des physiologischen
Nullpunktes, den Vorgängen der Adaptation, der raschen Ermüdung, welche
hohe und niedere Temperaturen herbeiführen; auch führt hier die Aus¬
führung der Versuche wegen der schwierigeren Beherrschung der Tem¬
peraturreize größere Fehler mit sich. Leichter sind diese bei der Unter¬
suchung der Druck- und Bewegungsempfindungen zu vermeiden, obgleich
es in den bisherigen Beobachtungen noch nicht vollständig geschehen ist.
4) G. E. Müller, Zur Grundlegung der Psychophysik, S. 224.