Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

Maßmethoden der Empfindung. 
349 
für psychophysische Zwecke vorgeschlagen worden. Versuche nach der Methode 
der mittleren Fehler wurden für psychophysische Zwecke zuerst von Fechner 
und Volkmann1 *), solche nach der Methode der richtigen und falschen Fälle von 
Yierordt ~) ausgeführt. Die Theorie dieser Methoden hat aber erst Fechner in 
seinen »Elementen der Psychophysik(c in umfassender Weise entwickelt und 
dadurch eine genauere Anwendung derselben möglich gemacht; werthvolle Zu¬ 
sätze zu dieser Theorie sind von G. E. Müller3) gegeben worden. Die Methode 
der Minimaländerungen sowie diejenige der mittleren Abstufungen besaßen in 
ihren früheren Anwendungen nur den Charakter approximativer Verfahrungs- 
weisen, da man sich mit einer tastenden Aufsuchung der Unterschiedsschwellen 
und der mittleren Intensitäten begnügte. In den neueren Beobachtungen ist 
auch für sie ein methodischeres Verfahren eingeführt worden, welches sie den 
übrigen Methoden gleichstellt, indem es die Elimination constanter Fehler in 
ähnlicher Weise wie bei ihnen möglich macht4). 
Obgleich die Berechtigung dieser Maßmethoden durch die Möglichkeit ihrer 
experimentellen Anwendung von vornherein feststeht, so sind doch zuweilen 
Zweifel darüber aufgetaucht, ob die auf solch’ verschiedenen Wegen gewonnenen 
Werthe auch wirklich als M a ß e der Unterschiedsempfind lie likei t zu 
verwerthen seien. Insbesondere haben sich solche Zweitel gegen die erste und 
die zwei letzten Methoden gerichtet, welche sämmtlich die Unterschiedsschwelle 
als Maß benutzen, indem sie dieselbe entweder direct zu bestimmen (Methode 1 ) 
oder auf andere Weise Werthe zu gewinnen suchen, welche sich proportional 
der Unterschiedsempfindlichkeit verhalten (Methode 3 und 4). Gegen die directe 
Benutzung der Unterschiedsschwdle hat man eingewandt, nicht alle eben merk¬ 
lichen Aenderungen der Empfindung müssten notliwendig gleich große Aende- 
rungen der Empfindung sein, vielmehr sei es denkbar, dass eine starke Em¬ 
pfindung mehr zunehmen müsse als eine schwache, wenn die Aenderung 
merklich werden solle '). A\ ir haben nun im Eingang dieses Capitels bereits 
hervorgehoben, dass es selbstverständlich unmöglich ist die Empfindung unab¬ 
hängig von den Vorgängen vergleichender Schätzung irgend einem Maß zu 
unterwerfen, dass wir also auch streng genommen überall nur von Aenderungen 
in der Größenschätzung der Empfindung reden dürfen. Unter dieser \ or au ss et zun g 
bedarf aber allerdings der Satz, dass jede eben merkliche Aenderung der andern 
gleich ist, keines Beweises. Das Einzige was wir überhaupt ermitteln können 
ist ja eben der Grad der Merklichkeit einer Empfindung oder, wenn es sich 
um Vergleichung verschiedener Empfindungen handelt, der Grad der Merklich¬ 
keilsunterschiede derselben. Erst wenn es sich um die Deutung der so er¬ 
mittelten Resultate handelt, wird die Frage untersucht werden können, welcher 
Einfluss den einzelnen bei der Vergleichung verschiedener Empfindungen wirk¬ 
samen Vorgängen bei den Resultaten zukommt. Da übrigens die Methode der 
mittleren Abstufungen ebenfalls nur Mittelwerthe unserer Empfindungsschätzung 
ergibt, so ist es klar, dass man jenen Einwand überhaupt gegen jeden Versuch 
1 ) Fechner, Elemente der Psvchophysik, I, S. 74. 
2; Archiv f. physiol. Heilk. XI, S. 844, XV, S. 185. 
3) Zur Grundlegung der Psychophysik. Berlin 4 878. 
4) Phil. Stud. I, S. 556, III, S. 497. 
5) Brentano, Psychologie vom empirischen Standpunkte, I, Leipzig 4 87*4, S. 88 f. 
Hering, Ueber Fechner’s psychophysisches Gesetz (Wiener Sitzungsber., III. Abth.r 
LXXII), S. 14. Tannery, Revue philos, dirigée par Ribot, XVII, p. 15.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.