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Intensität der Empfindung.
sind nach ihrer absoluten Größe nicht unmittelbar mit einander vergleichbar.
Zur Feststellung der gesetzmäßigen Beziehung zwischen Reizänderung und Em¬
pfindungsänderung kann aber jede derselben verwendet werden: hierzu ist nur
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erforderlich, dass die Maße —, 7777,-7- oder — bei verschiedenen absoluten
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Beizstärken bestimmt werden. Dabei ergänzen sich nun die vier Methoden in
höchst willkommener Weise, insofern die dritte und namentlich die vierte ge¬
nauere Resultate zulässt als die erste und zweite, wogegen diese unmittelbarer
zum Ziele führen und von manchen theoretischen Yoraussetzungen frei sind,
auf welche die dritte und vierte sich stützen. Am freiesten von solchen Vor¬
aussetzungen ist die zweite Methode. Sobald man bei ihr eine Reizscala
Jix, R2, f?3 . . . hergestellt hat, bei der je ein mittlerer Reiz TU von dem ihm
voraufgehenden und dem ihm nachfolgenden gleich entfernt geschätzt wird, so
R R >
kann nicht bezweifelt werden, dass die Quotienten
R-V
R;
wirklich Reiz-
verhältnisse darstellen, welche gleichen Intervallen unserer Empfindungsschätzung
entsprechen. Dagegen ist diese Methode wegen der Unsicherheit in der Ab¬
stufung der Mittelwerthe eine verhältnissmäßig ungenaue, selbst dann, wenn
man, wie dies unerlässlich ist, durch allmähliche Abstufung und eine große
Zahl von Beobachtungen die variaheln und constanten Fehler zu eliminiren
sucht. In dieser Beziehung bietet die Methode der Minimaländerungen eine
größere Sicherheit, weil die Entscheidung, ob ein Empfindungsunterschied merk¬
lich oder unmerklich wird, leichter ist. Auf der andern Seite muss man aber
hier eine Voraussetzung machen, welche möglicherweise bestritten werden kann
und in der That bestritten worden ist: man muss nämlich annehmen, dass der
Unterschiedsschwelle U stets der nämliche Empfindungswerth zukomme, d. h.,
dass zwei eben merkliche Empfindungsunterschiede unter allen Umständen gleich
große Unterschiede seien, wie verschieden auch die absolute Intensität der Em¬
pfindung sein mag. Wenn nun auch die Einwände gegen diese Voraussetzung
nicht haltbar sein dürften, so ist es doch wünschenswerth in der Methode der
mittleren Abstufungen ein Verfahren zu besitzen, welches denselben nicht aus-
gesetzt ist. Die Methode der Minimaländerungen kann aber schon deshalb allen
andern gegenüber einen fundamentalen Werth beanspruchen, weil die Unter¬
schiedsschwelle, die durch sie direct gefunden wird, einer einfacheren und all-
gemeiner vergleichbaren psychologischen Interpretation zugänglich ist, als dies
mit den mittelst der beiden Fehlermethoden gewonnenen Werthen F und I) der
Fall ist. Außerdem dient dieselbe allen anderen Methoden als Hülfsverfahren,
indem entweder die Abstufungen nach dem nämlichen Princip vorgenommen
werden müssen (Methode % und 3), oder aber in Vorversuchen nach der Minimai¬
methode erst derjenige Reizunterschied gefunden werden muss, bei welchem
ein angemessenes Yerhältniss richtiger und falscher Fälle zu erwarten ist
(Methode 4).
Unter den vier erörterten Methoden ist die Methode der Minimalanderungen
die älteste; sie ist zuerst von E. H. Weber1), dem Urheber der psychophysischen
Messungen, angewandt worden. Die Methode der mittleren Abstufungen ist
zuerst bei der Messung von Sterngrößen angewandt und danach von Plateau
i) Annotationes anatomicae et physiologicae, XII (1831), Lips. 1851. Art. Tast¬
sinn und Gemeingefühl in Wagner’s Handworterb. der Physiol. Ill, 2. S. 481.