Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

Verlauf der Reizungsvorgänge in der Nervenfaser. 
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Auch diese Resultate sestatten aber noch keinen Einblick in die eisent- 
liehe Mechanik der Reizungserscheinungen. Um einen solchen zu gewinnen, 
müssen wir uns über den Zustand des Nerven in jedem Moment der auf 
die Reizung folgenden Zeit Aufschluss verschaffen. Dies ist nur möglich, 
indem man in jedem Moment der Reizungsperiode das Verhalten des Nerven 
gegen einen andern, prüfenden Reiz von constanter Größe untersucht. 
Auch hier ist natürlich, ebenso wie bei der einfachen Muskelzuckung, die 
Trägheit der Muskelsubstanz von mitbestimmendem Einflüsse; aber der¬ 
selbe wird, ähnlich wie bei den Versuchen über die Fortpflanzung der 
Reizung, dadurch eliminirt, dass in solchen Fällen, wo die von der Muskel¬ 
substanz herrührenden Einflüsse constant bleiben, die beobachteten Ver¬ 
änderungen nur von veränderten ßedingungen der Reizung im Nerven 
herrühren können. 
Bei jedem Reizungsvorgange machen sich nun in der Nervenfaser 
zwei einander entgegengesetzte Wirkungen geltend: solche, die 
auf die Erzeugung äußerer Arbeit (Muskelzuckung, Secretion, Reizung von 
Ganglienzellen) gerichtet sind, und andere, welche die frei werdende Arbeit 
wieder zu binden streben. Die ersteren wollen wir die erregenden, die 
andern die hemmenden Wirkungen nennen. Der ganze Verlauf der 
Reizung ist von den in jedem Zeitmoment wechselnden Wirkungen der 
Erregung und Hemmung abhängig. Um durch den Prüfungsreiz nachzuwei¬ 
sen, welcher dieser Vorgänge, ob Erregung, ob Hemmung, im Uebergewicht 
sei, kann man entweder Reizungsvorgänge untersuchen, welche hinreichend 
schwach sind, dass sie an und für sich keine Muskelzuckung auslösen. 
oder es muss, so lange die Muskelcontraction abläuft, der Einfluss der 
letzteren eliminirt werden. Dies geschieht, indem man in solchen Fällen, 
wo es sich um den Nachweis gesteigerter Reizbarkeit handelt, den Muskel 
überlastet, d. h. mit einem so bedeutenden Gewichte beschwert, dass 
sowohl die ursprüngliche wie die durch den Piüfungsreiz für sich aus- 
gelöste Zuckung unterdrückt wird, so dass höchstens noch eine minimale 
Zuckung möglich ist. Löst dann der Prüfungsreiz während des Ablaufs 
der ersten Reizung trotzdem eine überminimale Zuckung aus, so deutet 
dies auf eine Zunahme der erregenden Wirkungen, und für die Größe 
der letzteren gibt die Höhe der Zuckung ein ungefähres Maß ab. Die 
Fig. 79 gibt ein Beispiel dieses Verfahrens. Der ReizungsVorgang, um 
dessen Untersuchung es sich handelt, ist durch die Schließung eines con- 
stanten Stromes in aufsteigender Richtung (wobei also die positive Elek¬ 
trode dem Muskel näher, die negative von ihm ferner war) hervorgerufen 
worden. Diese Schließung erfolgte im Zeitmomente ö. Der nicht über¬ 
lastete Muskel hat in Folge der Reizung die Zuckung a gezeichnet. Durch 
die nun ausgeführte Ueberlastung wurde dieselbe auf die minimale Höhe R
	        
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