Allgemeine Gesetze der centralen Functionen.
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verbal zu umschreiben, die Schere als. das, womit man schneidet, das Fenster
als das, wodurch man sieht1), auf die nämliche allgemeine Regel zurück. Diese
letztere ist aber offenbar nur ein Specialfall des psychologischen Gesetzes, nach
welchem die Apperceptionsthätigkeit in einem gegebenen Moment in der Regel
einer Vorstellung vorzugsweise sich zuwendet und diese Vorstellung um so
intensiver erlässt, je weniger sie gleichzeitig auf andere Vorstellungen abgelenkt
ist2). Dem entsprechend werden sich auch die begleitenden physiologischen
Erregungen verhalten. Bei der Vorstellung eines bekannten Menschen wird die
appereipirende Erregung vorzugsweise den Weg la Tig. 76) einschlagen, und die
Erregungen auf den Wegen xs und Xa (der Klang seines Namens) werden nur
schwach jene vorherrschende Apperception begleiten; bei der Vorstellung eines
abstracten Begriffs dagegen werden vorzugsweise diese letzteren Erregungen
vorhanden sein. Hiervon ist nun aber nothwendig die Einübung der Centren
abhängig, an welche die Reproduction gebunden ist. Entsteht daher im Gebiet
der Spraehcentren eine Störung, durch welche alle schwächeren Erregungen
völlig gehemmt werden, so kann es eintreten, dass alle jene Signale, für
welche das Centrum A weniger eingeübt ist, unter der Schwelle bleiben,
während die besser eingeübten Signale noch appercipirt werden und daher die
zugehörigen Sinneserregungen in HC zur Apperception gelangen lassen, so dass
deutliche Wortvorstellungen sich ausbilden.
Allgemeine Gesetze der centralen Functionen.
Suchen wir uns schließlich die leitenden Principien zu vergegen¬
wärtigen, zu denen die obige Zergliederung der centralen Functionen ge¬
führt hat, so lassen sich dieselben in die folgenden fünf allgemeinen Sätze
zusammenfassen :
1) Das Princip der Verbindung der Elementartheile: Jedes
Nervenelement ist mit andern Nervenelementen verbunden und wird erst
in dieser Verbindung zu physiologischen Functionen befähigt. Insbeson¬
dere sind alle unserer Beobachtung zugänglichen centralen Functionen
Vorgänge von complexer Beschaffenheit, die an zahlreiche centrale Ele¬
mente und in der Regel sogar an das Zusammenwirken von Centren ver¬
schiedener Ordnung gebunden sind.
2) Das Princip der Indifferenz der Function: Kein Element
vollbringt specifische Leistungen, sondern die Form seiner Function ist von
seinen Verbindungen und Beziehungen abhängig.
3) Das Princip der stellvertretenden Function: Für Ele¬
mente, deren Function gehemmt oder aufgehoben ist, können andere die
Stellvertretung übernehmen, sofern sich dieselben in den geeigneten Ver¬
bindungen befinden.
CJ
1) Kussmaul a. a. O. S. 4 53.
2) Vgl. Abschnitt IV, Cap. XV.
Wundt, Grimdzüge. 3. Aufl.
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