Volltext: Grundzüge der physiologischen Psychologie, 1. Band, 3.,umgearbeitete Auflage (1)

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Die Begriffe Seele und Geist. 
fast allgemein anerkannt hat, ist aber gleichwohl eine Nachwirkung die¬ 
ser Auffassung noch weit verbreitet. Sie besteht darin, dass man statt 
der allgemeinen Classenbegriffe die einzelnen Thatsachen, die ihnen der¬ 
einst subsumirt wurden, für isolirt existirende selbständige Erscheinungen 
hält. Nach dieser Auffassung gibt es zwar kein besonderes Vorstellungs-, 
Gefühls- oder Willensvermögen ; aber die einzelne Vorstellung, die ein¬ 
zelne Gefühlsregung und der einzelne Willensact gelten als selbständige 
Processe, die sich beliebig miteinander verbinden oder voneinander tren¬ 
nen können. Da nun die innere Wahrnehmung alle diese angeblich selb¬ 
ständigen Vorgänge als durchgängig miteinander verbunden und vonein¬ 
ander bestimmt zeigt, so ist nicht zu verkennen, dass man sich hier einer 
ähnlichen, nur den concreten Erscheinungen etwas mehr genäherten Um¬ 
wandlung von Abstractionsproducten in reale Dinge schuldig macht, wie 
sie der älteren Vermögenslehre widerfahren war. Eine isolirte, von den 
Vorgängen des Fühlens und Wollens trennbare Vorstellung gibt es im 
Grunde ebenso wenig, wie es einen Verstand als isolirte seelische Kraft 
gibt. So unerlässlich daher jene Unterscheidungen sind, so dürfen wir 
doch bei ihnen niemals vergessen, dass sie auf Abstractionen beruhen, 
denen keine reale Trennung von Gegenständen gegenübersteht, sondern 
die objcctiv nur als untrennbare Elemente zusammengehöriger Vorgänge 
aufgefasst werden können. 
Der obigen Betrachtung mögen hier noch einige kritische Bemerkungen über 
die Wechselbegriffe Seele und Geist, sowie über die Lehre von den Seelen¬ 
vermögen sich anschließen. 
a. Seele und Geist. Von der Seele trennt unsere Sprache den Geist 
als einen zweiten Substanzbegriff, dessen unterscheidendes Merkmal darin ge¬ 
sehen wird, dass er nicht, wie die Seele, durch die Sinne nothwendig an ein 
leibliches Dasein gebunden erscheint, sondern entweder mit einem solchen in 
bloß äußerer Verbindung steht oder sogar völlig von demselben befreit ist. Der 
Begriff des Geistes wird daher in einer doppelten Bedeutung gebraucht: einmal 
für die Grundlage derjenigen inneren Erfahrungen, von welchen man annimmt, 
dass sie von der Thätigkeit der Sinne unabhängig seien; sodann um solche Wesen 
zu bezeichnen, denen überhaupt gar kein leibliches Sein zukommen soll. Die 
Psychologie hat sich natürlich mit dem Begriff nur in seiner ersten Bedeutung 
zu beschäftigen, übrigens ist unmittelbar einleuchtend, dass diese zur zweiten 
fast von selbst führen müsste, da nicht einzusehen ist, warum der Geist nicht 
auch als völlig ungetrennte Substanz Vorkommen sollte, wenn seine Verbindung 
mit dem Leibe nur eine äußerliche, gewissermaßen zufällige wäre. 
Das philosophische Nachdenken konnte das Verhältniss von Seele und Geist 
nicht in der Unbestimmtheit belassen, mit welcher sich das gemeine Bewusst¬ 
sein zufrieden gab. Sind Seele und Geist verschiedene Wesen, ist die Seele 
ein Theil des Geistes oder dieser ein Theil der Seele? Der älteren Speculation 
merkt man deutlich die Verlegenheit an, welche sie dieser Frage gegenüber 
empfindet. Einerseits wird sie durch den Zusammenhang der inneren Erfahrungen
	        
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