Psychologische Vorbegriffe.
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werden kann, welche sie jedoch unmöglich schon vor dem Eintritt in
dieselbe ungeprüft annehmen darf. Auch gilt von dieser Annahme nicht,
was von der Unterscheidung der innern Erfahrung überhaupt gesagt wurde,
dass sie nämlich nothwendig sei, um die Untersuchung in Fluss zu brin¬
gen. Die Symbole, welche die Sprache zur Bezeichnung gewisser Gruppen
von Erfahrungen geschaffen hat, tragen noch heute die Kennzeichen an
sich, dass sie ursprünglich nicht bloß im allgemeinen abgesonderte Wesen,
Substanzen, sondern dass sie selbst persönliche Wesen bedeutet haben.
Die unvertilgbarste Spur solcher Personification der Substanzen ist in dem
Genus zurückgeblieben. Der Verstand hat diese phantasievolle Beziehung
der Begriffssymbole allmählich abgeschliffen. Theils hat die Personification
der Substanzen, theils sogar die Substantialisirung der Begriffe ein Ende
genommen. Aber wer wollte deshalb auf den Gebrauch der Begriffe sel¬
ber und auf ihre Bezeichnung Verzicht leisten? Wir reden von Ehre,
Tugend, Vernunft, ohne irgend einen dieser Begriffe in eine Substanz
übersetzt zu denken. Aus metaphysischen Substanzen sind sie zu logi¬
schen Subjecten geworden. So betrachten wir denn auch die Seele vor¬
läufig lediglich als logisches Subject der innern Erfahrung, eine Auf¬
fassung, die das unmittelbare Resultat der von der Sprache geübten
Begriffsbildung ist, gereinigt jedoch von jenen Zusätzen einer unreifen
Metaphysik, welche überall das natürliche Bewusstsein in die von ihm
geschaffenen Begriffe hineinträgt.
Ein ähnliches Verfahren wird in Bezug auf diejenigen Begriffe befolgt
werden müssen, die wir theils für besondere Beziehungen der inneren
Erfahrung, theils für einzelne Gebiete derselben vorfinden. So stellt die
Sprache zunächst der Seele den Geist gegenüber. Beide sind Wechsel¬
begriffe für eins und dasselbe, denen im Gebiet der äußeren Erfahrung
Leib und Körper entsprechen. Körper ist jeder Gegenstand der äußeren
Erfahrung, wie er sich unmittelbar unsern Sinnen darbietet, ohne Be¬
ziehung auf ein demselben zukommendes inneres Sein; Leib ist der Kör¬
per, wenn er mit eben dieser Beziehung gedacht wird. Aehnlich heißt
Geist das innere Sein, wenn dabei keinerlei Zusammenhang mit einem
äußeren Sein in Rücksicht fällt, wogegen bei der Seele, namentlich wenn
sie dem Geiste gegenübergeslellt wird, gerade die Verbindung mit einer
leiblichen, der äußeren Erfahrung gegebenen Existenz vorausgesetzt ist.
Während Seele und Geist das Ganze der inneren Erfahrung umfassen,
wobei nur die Beziehung, in der diese genommen wird, eine verschiedene
ist, werden durch die sogenannten Se eie n verm ögen die einzelnen Ge¬
biete derselben bezeichnet, wie sie in der Selbstbeobachtung unmittelbar
von einander sich abgrenzen. In den Begriffen Sinnlichkeit, Gefühl, Ver¬
stand, Vernunft u. s. w. trägt uns also die Sprache eine Classification der